Praxis der freiwilligen Vorratsdatenspeicherung?


Praxis der Speicherung von Verkehrsdaten durch Telekommunikationsdiensteanbieter
Die Nutzung von Verkehrsdaten erlaubt auch ohne Wissen über den Inhalt von Telekommunikation Rückschlüsse auf die Gestaltung der privaten Lebensführung




Die Telekommunikationsanbieter speichern IP-Adressen oft nur noch sehr kurz oder gar nicht mehr, weshalb Auskunftsersuche von Strafverfolgungsbehörden in zahlreichen Fällen ins Leere laufen. Das schreibt die Bundesregierung in einer Antwort (19/25891) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/25496). Die Kontrolle über die Speicherung von Verkehrsdaten obliege dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI). Sollten Kommunikationsdienstleister Speicherfristen missachten und Daten länger als erlaubt speichern, könne ein Bußgeldverfahren eingeleitet werden, dazu sei es in den letzten fünf Jahren allerdings nicht gekommen. Wie lange die Anbieter die verschiedenen Daten konkret speichern, entziehe sich der Kenntnis der Bundesregierung.

Vorbemerkung der Fragesteller
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat in einem Urteil vom 6. Oktober 2020 zur Sammlung und Speicherung von Telekommunikationsdaten in Frankreich, Belgien und dem Vereinigten Königreich entschieden, dass das anlasslose und massenhafte Sammeln von Kommunikations- und Standortdaten von Nutzerinnen und Nutzern eines Telekommunikationsdienstes nicht mit der Grundrechtecharta der EU vereinbar ist. Infolge der Entscheidung sowie angesichts mehrerer anhängiger Verfahren zur deutschen "Vorratsdatenspeicherung" vor dem EuGH und dem Bundesverfassungsgericht stellen sich verschiedene Fragen zur aktuellen Speicherpraxis von Verkehrsdaten durch Telekommunikationsanbieter in Deutschland.

Die Nutzung von Verkehrsdaten erlaubt auch ohne Wissen über den Inhalt von Telekommunikation Rückschlüsse auf die Gestaltung der privaten Lebensführung der Bürgerinnen und Bürger. Eine unrechtmäßige Speicherung oder missbräuchliche Verwendung gespeicherter Verkehrsdaten ist geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in Informations- und Kommunikationstechnologie sowie in den wirksamen Schutz ihrer Grundrechte zu beeinträchtigen. Für die Anbieter von Telekommunikationsdiensten und für andere Unternehmen ergeben sich im Zusammenhang mit einer Speicherung von Verkehrsdaten sowie mit einem möglichen Missbrauch auch wirtschaftliche Herausforderungen bzw. Gefahren. Der Gesetzgeber hat dieses Risiko erkannt und in den §§ 95 bis 98 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) festgelegt, dass Diensteanbieter keine Daten ihrer Kunden erheben und verwenden dürfen, es sei denn, das Gesetz räumt ihnen eine Befugnis hierzu ein.

Die vom Gesetz eingeräumten Speicherbefugnisse sind sehr eng ausgestaltet, um der Sensibilität der Daten Rechnung zu tragen. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) sowie die Bundesnetzagentur (BNetzA) haben in Zusammenarbeit mit den Telekommunikationsanbietern zu Übersichtszwecken und zur einheitlichen Auslegung der rechtlichen Grundlagen des TKG einen Leitfaden zur datenschutzgerechten Speicherung von Verkehrsdaten erstellt. Die rechtlichen Möglichkeiten zur Speicherung von dynamischen IP-Adressen durch die Telekommunikationsanbieter werden durch das TKG eng begrenzt. Außer zur Erkennung, Eingrenzung und Beseitigung von Störungen sowie zur Aufdeckung von Missbrauch ist eine Speicherung bei sogenannten echten Flatrateverträgen nach § 100 TKG nicht zulässig. Diese Speicherfrist beträgt sieben Tage, unabhängig davon, ob von einer Störung oder einem Missbrauch auszugehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2011, Az: III ZR 146/10). Bei Volumenverträgen und solchen mit Drosselung ist eine Speicherung zu Abrechnungszwecken bis zu drei Monate nach Rechnungsversand möglich. Dies dürfte einen Großteil der Mobilfunktarife betreffen. Aus § 100 TKG ergeben sich dabei auch umfassende Unterrichtungspflichten der Diensteanbieter gegenüber der Bundesnetzagentur.

Eine über diese Fristen hinausgehende Speicherung ist unzulässig und kann strafrechtliche Konsequenzen haben. Dennoch scheinen Betreiber in einigem Umfang eine "freiwillige Vorratsdatenspeicherung" durchzuführen. Sicherheitsbehörden wie die Landeskriminalämter und das Bundeskriminalamt nutzen diese Speicherung dynamischer IP-Adressen durch die Dienstanbieter, um bei Ermittlungen festgestellte IP-Adressen Verdachtspersonen zuordnen zu können.


eingetragen: 10.03.21
Newsletterlauf: 23.04.21


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