Quellen-Telekommunikationsüberwachung


Überwachung der Telekommunikation im Internet im Lichte des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu Online-Durchsuchungen
Plant die Bundesregierung, wie von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries mit Pressemitteilung vom 27. Februar 2008 angekündigt, die Verankerung einer Rechtsgrundlage für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung in der Strafprozessordnung?


(26.03.08) - Ob die so genannte "Quellen-Telekommunikationsüberwachung", das Abhören einer verschlüsselten Telefonverbindung auf dem PC, in der Strafprozessordnung oder in weiteren Gesetzen rechtlich verankert werden soll, möchte die Fraktion der FDP wissen. In einer Kleinen Anfrage (16/8570) erkundigt sie sich auch danach, welche Sicherheitsbehörden dafür mit einer Befugnis ausgestattet werden müssen und wie sichergestellt werden kann, dass ausschließlich Daten des laufenden Telekommunikationsweges überwacht werden. Die Fraktion bezieht sich in ihrer Anfrage auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Überwachung der Telekommunikation im Internet vom 27. Februar dieses Jahres.

Überwachung der Telekommunikation im Internet im Lichte des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu Online-Durchsuchungen
In seiner Entscheidung zur Zulässigkeit von Online-Durchsuchungen vom 27. Februar 2008 hat das Bundesverfassungsgericht zur Überwachung der Telekommunikation im Internet ausgeführt:

"Wird ein komplexes informationstechnisches System zum Zweck der Telekommunikationsüberwachung technisch infiltriert ("Quellen-Telekommunikationsüberwachung"), so ist mit der Infiltration die entscheidende Hürde genommen, um das System insgesamt auszuspähen. Die dadurch bedingte Gefährdung geht weit über die hinaus, die mit einer bloßen Überwachung der laufenden Telekommunikation verbunden ist. Insbesondere können auch die auf dem Personalcomputer abgelegten Daten zur Kenntnis genommen werden, die keinen Bezug zu einer telekommunikativen Nutzung des Systems aufweisen. Erfasst werden können beispielsweise das Verhalten bei der Bedienung eines Personalcomputers für eigene Zwecke, die Abrufhäufigkeit bestimmter Dienste, insbesondere auch der Inhalt angelegter Dateien oder – soweit das infiltrierte informationstechnische System auch Geräte im Haushalt steuert – das Verhalten in der eigenen Wohnung.

Nach Auskunft der in der mündlichen Verhandlung angehörten sachkundigen Auskunftspersonen kann es im Übrigen dazu kommen, dass im Anschluss an die Infiltration Daten ohne Bezug zur laufenden Telekommunikation erhoben werden, auch wenn dies nicht beabsichtigt ist. In der Folge besteht für den Betroffenen – anders als in der Regel bei der herkömmlichen netzbasierten Telekommunikationsüberwachung - stets das Risiko, dass über die Inhalte und Umstände der Telekommunikation hinaus weitere persönlichkeitsrelevante Informationen erhoben werden. Den dadurch bewirkten spezifischen Gefährdungen der Persönlichkeit kann durch Artikel 10 Abs. 1 GG nicht oder nicht hinreichend begegnet werden.

Artikel 10 Abs. 1 GG ist hingegen der alleinige grundrechtliche Maßstab für die Beurteilung einer Ermächtigung zu einer "Quellen-Telekommunikationsüberwachung", wenn sich die Überwachung ausschließlich auf Daten aus einem laufenden Telekommunikationsvorgang beschränkt. Dies muss durch technische Vorkehrungen und rechtliche Vorgaben sichergestellt sein."

Die FDP fragt die Bundesregierung:

1. Plant die Bundesregierung, wie von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries mit Pressemitteilung vom 27. Februar 2008 angekündigt, die Verankerung einer Rechtsgrundlage für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung in der Strafprozessordnung?

2. Plant die Bundesregierung darüber hinaus die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung in weiteren Gesetzen, wenn ja, in welchen?

3. Aus welchen Gründen hält die Bundesregierung für jeweils welche Sicherheitsbehörden die Befugnis, Quellen-Telekommunikationsüberwachungen durchzuführen, für erforderlich?

4. Wie will die Bundesregierung einerseits rechtlich und andererseits technisch sicherstellen, dass sich die Quellen-Telekommunikationsüberwachung ausschließlich auf Daten eines laufenden Telekommunikationsvorgangs beschränkt?

5. Will die Bundesregierung für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung weiterhin die bereits heute für diese Maßnahme z. B. vom Zollfahndungsdienst verwendete Software verwenden, die nach Auskunft der Bundesregierung in ihrem Bericht an den Innenausschuss des Deutschen Bundestags vom 25. Oktober 2007 dieselbe Software ist, die auch zur Online-Durchsuchung verwendet wird und zum Zwecke der Quellen-Telekommunikationsüberwachung nur um einen Telekommunikationsfilter o. ä. erweitert wird?

6. Aus welchen Gründen hält die Bundesregierung es für möglich, die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts könnten mit der für Quellen-Telekommunikationsüberwachungen verwendeten Software erfüllt werden?

7. Will die Bundesregierung im BKA-Gesetz das Instrument der Quellen-Telekommunikationsüberwachung verankern und warum hält sie dies für mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für vereinbar, nachdem sie in ihrem Bericht an den Innenausschuss des Deutschen Bundestags vom 25. Oktober 2007 erklärte, dass die vom BKA entwickelte Remote-Forensic-Software ausschließlich zur Online-Durchsuchung geeignet sei?

8. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf die Quellen-Telekommunikationsüberwachung so zu verstehen ist, dass eine eindeutige und dezidierte Rechtsgrundlage für dieses Instrument erforderlich ist und zugleich die technischen Voraussetzung gegeben sein müssen, damit sichergestellt ist, dass die Maßnahme ausschließlich auf laufende Telekommunikationsvorgänge zugreift? - Falls nein, warum nicht?

9. Finden derzeit noch Quellen-Telekommunikationsüberwachungen welcher Behörden statt?

10. Wurden die laufenden Quellen-Telekommunikationsüberwachungen, die im Bereich des Zollfahndungsdienstes durchgeführt wurden oder werden, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die schriftliche Frage der Abgeordneten Gisela Piltz vom 27. September 2007 (Frage 14 auf Bundestagsdrucksache 16/6572) dargestellt hat, nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eingestellt? - Falls nein, warum nicht?
(Deutscher Bundestag: ra)

Lesen Sie mehr zum Thema Vorratsdatenspeicherung:
DAFTA: Vorratsspeicherung und der Online-Zugriff
Vorratsdatenspeicherung nicht verfassungskonform
Verschlüsselung und Vorratsdatenspeicherung
Vorratsdatenspeicherung und Bundesrat
Demonstration gegen Vorratsdatenspeicherung
Einführung der Vorratsdatenspeicherung
Verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung

Lesen Sie auch zumThema Telekommunikationsüberwachung:
Überwachung der Telekommunikation
Quellen-Telekommunikationsüberwachung
Handy als tragbare "Wanze"
Schäubles Visionen Gegenstand im Innenausschuss
USA spioniert Mailverkehr aus

Mehr zum Urteil aus Karlsruhe:
BKA-Gesetz: IT-Grundrecht ad absurdum geführt
Online-Durchsuchung in engen Grenzen möglich
Justizministerin Merk riskiert Verfassungsbruch
Heimliche Online-Durchsuchungen durchführbar?
BVerfG kippt NRW-Gesetz zur Online-Durchsuchung
BVerfG-Urteil: Hohe Hürde für Online-Durchsuchung
Online-Razzia: Behörden säen Klima der Angst
Schäuble schürt bewusst ein Klima der Angst

Lesen Sie auch:
Online-Durchsuchung stark umstritten
Online-Durchsuchung: Mit dem Keylogger zum Ziel
LHG-BW-Veranstaltung: Online-Durchsuchung
Online-Durchsuchung ist erfolgreiches Hacking
Schutz sensibler persönlicher Daten
Datenschutz und Online-Durchsuchungen
Online-Durchsuchungen im BKA-Gesetz
Anti-Terror contra Datenschutz
Bundestrojaner schadet Made in Germany
Verdeckte Online-Durchsuchung rechtswidrig


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Bitcom lobt und kritisiert Kryptopolitik

    Der Branchenverband Bitcom warnt davor, dass Deutschland seine gute Ausgangsposition im Bereich der Kryptowirtschaft nicht aufs Spiel setzen solle. In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zum Finanzmarktdigitalisierungsgesetz (20/10280) sagte Bitcom-Vertreter Benedikt Faupel: "Der Standort Deutschland hat gute Voraussetzungen, ich erinnere an die Blockchain-Strategie."

  • Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Inhalte

    Der Kulturausschuss hat sich in einem öffentlichen Fachgespräch mit den Chancen und Risiken des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz im Medienbereich auseinandergesetzt. Geladen hatte er Sachverständige von Gewerkschaften, Berufsverbänden, Unternehmen und aus der Wissenschaft.

  • Modernisierung des Postrechts

    In einer Anhörung beschäftigten sich neun Sachverständige mit dem Entwurf eines Gesetzes der Bundesregierung zur Modernisierung des Postrechts (20/10283). Dieses beinhalte eine "grundlegende Novellierung des Postrechts", schreibt die Bundesregierung zu dem Entwurf.

  • Einnahmen aus dem Energiekrisenbeitrag

    Die im Zuge des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine massiv gestiegenen Preise für Erdgas, Wärme und Strom haben zeitweise eine existenzbedrohende Belastung für die Bevölkerung und Unternehmen in Europa und nicht zuletzt in Deutschland dargestellt. Dabei sorgten das Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz (EWPBG) und das Strompreisbremsegesetz (StromPBG) für eine zeitlich befristete, schnelle Entlastung in der Breite der Bevölkerung und der Unternehmen in Deutschland, welche durch ihre konkrete Ausgestaltung die Anreize zum Energiesparen aufrechterhalten hat.

  • Soziale und ökologische Nachhaltigkeit

    Eine nachhaltige Künstliche Intelligenz (KI) braucht politische Rahmenbedingungen. Das machte Kilian Vieth-Ditlmann, stellvertretender Leiter des Policy- & Advocacy-Teams bei der AW AlgorithmWatch gGmbH während eines öffentlichen Fachgespräches im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung deutlich. Als ersten Schritt bewertete er die im EU-Parlament verabschiedete KI-Verordnung.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen