Rettung systemrelevanter Banken


Sachverständige weisen darauf hin: Neues Restrukturierungsgesetz könnte HRE-Zusammenbruch nicht verhindern
Gesetzentwurf sieht vor, dass systemrelevante Banken, die in eine Schieflage geraten sind, durch ein mehrstufiges Verfahren wieder saniert werden sollen


(11.10.10) - Durch den von der Deutschen Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Restrukturierungsgesetzes (17/3024) werden sich auch in Zukunft Beinahe-Zusammenbrüche von Banken wie etwa der "Hypo Real Estate" (HRE) nach Einschätzung mehrerer Sachverständiger nicht vermeiden lassen.

So erklärte Professor Martin Hellwig vom Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern Bonn in einer Öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, die in dem Gesetz vorgesehenen Maßnahmen zur Reorganisation von Banken seien nicht geeignet, um in einem Fall wie der HRE zur Anwendung zu kommen. Hellwig erkannte keinen wesentlichen Fortschritt im Vergleich zum heutigen Insolvenzrecht.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass systemrelevante Banken, die in eine Schieflage geraten sind, durch ein mehrstufiges Verfahren wieder saniert werden sollen. Ist eine Sanierung nicht möglich, können Teile der Bank auch auf eine andere Bank oder eine staatliche "Brückenbank" übertragen werden. Außerdem ist die Erhebung einer Bankenabgabe vorgesehen, damit der Finanzsektor an den Kosten für die Abwicklung systemrelevanter Banken beteiligt wird.

Hellwig lobte zwar, dass die Eingriffsmöglichkeiten der Bankenaufsicht verbessert würden, sah den von der Bankenabgabe zu speisenden Restrukturierungsfonds aber nicht in der Lage, bei Bankenrettungen für den Steuerzahler einzuspringen.

Ein Vertreter der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sagte, ob die neuen Rechte einen Fall wie die HRE verhindert hätten, wisse er nicht, aber man hätte wenigstens früher bei der HRE eingreifen können.

Professor Rolf Hickel (Institut für Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen) sprach dem Restrukturierungsfonds jede präventive Wirkung ab. Außerdem sei sein Aufkommen zu gering. Würden zusätzliche Sonderbeiträge erhoben, könnte dies die zur Zahlung verpflichteten Banken in finanzielle Probleme bringen.

Professor Wolfgang Gerke (Bayerisches Finanz Zentrum) erklärte, die Bankenabgabe werde den Steuerzahler auf keinen Fall entlasten. Er sei trotzdem für die Abgabe; sie sei ein "Signal".

Der Vertreter des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) nannte den Restrukturierungsfonds unter den Gesichtspunkten von Gerechtigkeit und Eiffizienz gerechtfertigt, während der Bundesverband deutscher Banken erklärte, dass der Fonds einerseits zwar Krisen nicht voll auffangen könne, aber andererseits nur ein Teil einer umfassenden Regulierung sei.

Wie schon die BaFin lobte auch Professor Daniel Zimmer (Universität Bonn) die zusätzlichen Eingriffsmöglichkeiten für die Aufsichtsbehörde. Mit dem Gesetz werde ein Baukasten geschaffen, aus dem man sich gut bedienen könnte.

Dagegen kritisierte der Unternehmensberater Karl-Heinz Bächstädt, dass der Entwurf keine Regelungen enthalte, um ein Institut nach dessen Rettung in geordneten Bahnen zu halten. "Es kann nach der Rettung so weitermachen wie vorher", sagte Bächstädt.

Kritik kam vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband. Dessen Sprecher bezeichnete es als nicht nachvollziehbar, dass Sparkassen und Genossenschaftsbanken zur Bankenabgabe herangezogen werden sollten, obwohl sie nicht Verursacher der Finanzkrise gewesen seien und kein Anwendungsfall für den Restrukturierungsfonds in der Zukunft werden würden. Man verfüge über ein eigenes Schutzsystem. Die Sparkassen kritisierten darüber hinaus, dass einige Akteure wie Hedgefonds gar nicht zur Bankenabgabe herangezogen werden sollten.

Die von der Koalition geplante, aber noch nicht im Gesetzentwurf enthaltene Regelung, nach der staatlich gestützte Banken ihren Mitarbeitern keine Boni mehr zahlen dürfen, bezeichnete die BaFin als "grundsätzlich sinnvolle Lösung". Wenn die Zahlung variabler Gehaltsbestandteile nur aufgeschoben statt gestrichen werde, könnten sich Kosten summieren, die zu einer Belastung für die Banken werden könnten. (Deutscher Bundestag: ra)


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Stand zum Emissionshandel für Gebäude und Verkehr

    Die Bundesregierung wird ein neues Klimaschutzprogramm vorlegen, das im Zeitraum bis zum Jahr 2030 auch Maßnahmen zur Treibhausgasminderungsquote im Bereich der durch die EU-Lastenverteilungsverordnung (ESR) erfassten Sektoren Gebäude und Verkehr enthalten wird. Die Maßnahmen für das Programm werden derzeit entwickelt. Das geht aus der Antwort (21/1072) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (21/762) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hervor.

  • Fluggastrechteverordnung für reformbedürftig

    Die Bundesregierung lehnt die Erhöhung von Zeitschwellen für Entschädigungen in der Fluggastrechteverordnung der EU ab. Sie stellt sich damit gegen einen entsprechenden Beschluss des Rates der EU-Verkehrsminister, wie aus einer Antwort (21/962) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (21/749) hervorgeht. Eine solche "Abschwächung des Verbraucherschutzniveaus" lehne die Bundesregierung ab. Sie trete für einen "ausgewogenen Ausgleich der Interessen der Fluggäste und der Luftfahrtunternehmen sowie der Reisewirtschaft" ein.

  • Digitalisierung des Gesundheitswesens

    Der Petitionsausschuss hält mehrheitlich an der Widerspruchslösung (Opt-out-Lösung) bei der elektronischen Patientenakte (ePA) fest. In der Sitzung verabschiedete der Ausschuss mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD die Beschlussempfehlung an den Bundestag, das Petitionsverfahren zu der Forderung, die elektronische Patientenakte nur mit ausdrücklichem Einverständnis der Betroffenen anzulegen (Opt-in-Lösung), abzuschließen, weil keine Anhaltspunkte für parlamentarische Aktivitäten zu erkennen seien.

  • Angaben zu Cum-Cum-Geschäften

    Derzeit befinden sich 253 Cum-Cum-Verdachtsfälle mit einem Volumen in Höhe von 7,3 Milliarden Euro bei den obersten Behörden der Länder und dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) in Bearbeitung. Diese Angaben macht die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/915) auf eine Kleine Anfrage (21/536) der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen zu den rechtswidrigen Steuergeschäften.

  • Konformitätsbewertung von Produkten

    In einer Kleinen Anfrage (21/946) möchte die AfD-Fraktion von der Bundesregierung wissen, wie die EU-Maschinenverordnung (EU/2023/1230) im Hinblick auf KI-basierte Sicherheitssysteme angewendet und begleitet werden soll. Die Verordnung, die ab dem 20. Januar 2027 gilt, stellt laut Vorbemerkung der Anfrage neue Anforderungen an Maschinen mit eingebetteter Künstlicher Intelligenz.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen