Erheblicher bürokratischen Aufwand


Preisveränderungen im Tankstellensektor: Sachverständige haben Zweifel an Wirkung der Markttransparenzstelle
Bundesregierung sagt, es fehle ein Gesamtüberblick über das Marktgeschehen, der mögliche Manipulationen aufdecken könne

(30.10.12) - Eine Mehrheit der Sachverständigen hat sich kritisch bis ablehnend zu der von der Bundesregierung geplanten Markttransparenzstelle geäußert, mit der die Großhandelspreise für Energie und außerdem die Kraftstoffpreise an Tankstellen beobachtet werden sollen. In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie am Montag nannte zum Beispiel der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in seiner Stellungnahme die Einrichtung einer Transparenzstelle "grundsätzlich sinnvoll". Es drohe jedoch ein hoher Verwaltungsaufwand, und den Unternehmen würden erhebliche bürokratische Lasten aufgebürdet.

Grundlage der Anhörung war der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Einrichtung einer Markttransparenzstelle für den Großhandel mit Strom und Gas (17/10060). Darin schreibt die Regierung, es fehle ein Gesamtüberblick über das Marktgeschehen, der mögliche Manipulationen aufdecken könne. Zur Beobachtung der Preisentwicklung an Tankstellen heißt es, das Bundeskartellamt habe Wettbewerbsdefizite aufgrund der hohen Marktkonzentration festgestellt. "Wegen dieser unverändert fortbestehenden oligopolistischen Marktstruktur sowie der Homogenität von Kraftstoffen und der hohen Transparenz der Preise für Wettbewerber ist es gerechtfertigt, dass eine Behörde die Preisveränderungen im Tankstellensektor eingehender betrachtet", heißt es in dem Entwurf.

Der BDI verlangte in seiner Stellungnahme, das Transparenzsystem müsse europaweit abgestimmt sein. Sonst würden doppelte Berichtspflichten gelten, warnte die Industrie mit Blick auf die seit November letzten Jahres geltende europäische Transparenzverordnung REMIT (Europäische Verordnung über Energiemarktintegrität und -transparenz): "Wenn der deutsche Sonderweg zu erheblichen weiteren Kosten für die Industrie führt, können hieraus auch höhere Energiepreise resultieren."

Professor Fritz Helmedag (Technische Universität Chemnitz) erschienen die durch die Schaffung der Markttransparenzstelle erwarteten Effekte überzogen. Sie würden "nur in bescheidenem Maße" zur Verbesserung der Marktergebnisse beitragen.

Der Verband der Strom- und Gashändler (EFET), der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und der Verband der industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) hielten die Einführung einer nationalen Marktransparenzstelle vor der Hintergrund der REMIT-Verordnung für nicht erforderlich: "Im Gegenteil laufen nationale Stellen, deren Aufgabe die Sammlung von Daten ist, den Zielen von REMIT diametral entgegen."

Deshalb lehnte auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) die Transparenzstelle ab, denn sie "widerspricht dem Leitgedanken eines europäischen Energiebinnenmarktes". Wie der BDI beklagte die Mittelständische Energiewirtschaft Deutschland (MEW) in einer schriftlichen Stellungnahme den hohen administrativen Aufwand mit Anfangsinvestitionen in einer Größenordnung von 200 Millionen Euro.

Für Professor Daniel Zimmer, den Vorsitzenden der Monopolkommission, ist die von der Regierung geplante laufende Marktbeobachtung des Kraftstoffmarktes mithilfe einer Marktransparenzstelle "recht wirkungslos". Das Bundeskartellamt riet in diesem Zusammenhang dazu, nur die Preise der fünf günstigsten Tankstellen in einer Region zu veröffentlichen. Dies lehnte der Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen (UNITI) ab: "Totale Transparenz ist besser. "

Die Strombörse EEX erklärte zu der erwarteten preisdämpfenden Wirkung durch die präventive Abschreckungswirkung der Markttransparenzstelle, bisher sei kein Missbrauch festgestellt worden. Man halte es auch für einen Trugschluss, "dass lediglich durch eine verstärkte Aufsicht niedrige Preise zu erreichen seien".

Das Bundeskartellamt begrüßte zwar die Einrichtung der Transparenzstelle, beklagte jedoch den erheblichen bürokratischen Aufwand, der durch die vorgesehenen Meldepflichten entstehe. Positiv äußerte sich die Bundesnetzagentur, die der Bundesregierung im Gegensatz zu den Wirtschaftsverbänden bescheinigte, sie setze die REMIT-Verordnung "zielführend" um.

Auch Uniti setzte sich für ein kosteneffizientes und wenig Bürokratie verursachendes System der Preisbildung ein. Die Organisation "8KU", eine Kooperation mehrerer Energieunternehmen, hielt die Einführung einer Markttransparenzstelle für einen wichtigen Schritt, Wettbewerbseinschränkungen und -verzerrungen im Stromerzeugungsmarkt einzudämmen, hat jedoch unter anderem wegen des hohen administrativen Aufwands "Zweifel an der Zielerreichung des Gesetzentwurfs".

"In jedem Fall richtig und notwendig" ist die Markttransparenzstelle aus Sicht von Professor Uwe Leprich (Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes): "Vor dem Hintergrund der bestehenden Marktmacht und der Erfahrungen, wie mit dieser Marktmacht in der Vergangenheit umgegangen worden ist, ist nach wie vor erhebliches Misstrauen gegenüber den marktmächtigen Unternehmen angezeigt." (Deutscher Bundestag: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Sorgfaltspflichten für Online-Dienste

    Bei einer öffentlichen Anhörung des Digitalausschusses ist das von der Bundesregierung geplante Digitale-Dienste-Gesetz (20/10031) zur Umsetzung des Digital Services Act (DSA) auf nationaler Ebene von den geladenen Sachverständigen überwiegend begrüßt worden. Moderate Kritik wurde an einzelnen Punkten des Entwurfs zur Umsetzung laut.

  • Einsatz von KI birgt auch Risiken

    Die Deutsche Bundesregierung erkennt in der Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI) ein "vielfältiges und beträchtliches" Potenzial für Beschäftigte und den Arbeitsmarkt. KI könne die Produktivität von Beschäftigten steigern und diese bei ihren Tätigkeiten entlasten.

  • EU-Plastikabgabe weiter in Abstimmung

    Die Deutsche Bundesregierung befindet sich momentan noch in der Abstimmung hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der nationalen Umlegung der EU-Plastikabgabe. Verschiedene Optionen würden geprüft.

  • Bedeutung gemeinwohlorientierter Unternehmen

    Die Parlamentarische Staatssekretärin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen), hat bei der Aussprache zur Unterrichtung des Bundestages zur Nationale Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen im Wirtschaftsausschuss die Bedeutung des Programms betont.

  • Mehr Recycling-Anreize

    In seiner derzeitigen Form hat Paragraf 21 des Verpackungsgesetzes aus Sicht der Bundesregierung für die Hersteller systembeteiligungspflichtiger Verpackungen bereits ein wichtiges Signal in Richtung des ökologischen Verpackungsdesigns gesetzt.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen