Kontroverse um Informantenschutz für Arbeitnehmer


Whistleblower, die Gesetzesverstöße und Missstände in ihren Unternehmen bei zuständigen Stellen anzeigen, sollen besser geschützt werden
Einen Vorschlag zur Verankerung eines Anzeigerechts im Bürgerlichen Gesetzbuch haben das Arbeits-, Verbraucherschutz- und Justizministerium erarbeitet


(06.06.08) - Kontroversen hat am Mittwochnachmittag (04. Juni) bei einer Anhörung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz die Absicht der Bundesregierung ausgelöst, den Informantenschutz (Whistleblower-Schutz) für Arbeitnehmer zu verbessern, die Gesetzesverstöße und Missstände in ihren Unternehmen bei zuständigen Stellen anzeigen.

Einen entsprechenden Vorschlag zur Verankerung eines solchen Anzeigerechts im Bürgerlichen Gesetzbuch haben das Arbeits-, Verbraucherschutz- und Justizministerium erarbeitet. Während die Vertreter von Arbeitgeberverbänden zum Auftakt des Hearings den Vorstoß strikt ablehnten, wurde die Gesetzesänderung von Seiten der Gewerkschaften und der Lebensmittelkontrolleure nachdrücklich unterstützt.

Für die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten und den DGB erklärte Micha Heilmann, eine gesetzliche Regelung des Informantenschutzes sei im Interesse der Verbraucher, der Öffentlichkeit und der Arbeitnehmer dringend geboten. Ein Anzeigerecht für Beschäftigte könne die Aufdeckung nicht nur von Gammelfleisch-Skandalen, sondern auch von Arbeitnehmerbespitzelungen wie bei Lidl, von Schmiergeldzahlungen wie bei Siemens oder von Datenmissbrauch wie bei der Telekom erleichtern. Zudem könne die Gesetzesänderung einen Beitrag zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung leisten. Heilmann bezeichnete es als richtig, dass sich laut der Gesetzesnovelle Beschäftigte dann direkt an zuständige Behörden wenden können, wenn etwa auf innerbetrieblichem Weg eine Abhilfe bei Missständen nicht zu erreichen sei.

Vehement stark für den geplanten Informantenschutz machte sich Martin Müller. Der Vorsitzende des Bundesverbands der Lebensmittelkontrolleure beklagte, dass diese Einrichtungen wegen einer unzureichenden Personalausstattung keine umfassende Überwachung von Betrieben gewährleisten könnten und deshalb im Falle krimineller Machenschaften auf Hilfe aus den betreffenden Unternehmen angewiesen seien. Das habe nichts mit Denunziantentum zu tun.

Roland Wolf von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) betonte, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung das Anzeigerecht für Arbeitnehmer bereits geregelt und dabei eine Abwägung zwischen den Interessen der Beschäftigten und der Arbeitgeber vorgenommen habe. Schon jetzt könnten sich bei großen Bedrohungen der Allgemeinheit Arbeitnehmer direkt nach außen wenden. Die Gesetzesänderung, so Wolf, stelle hingegen einen "schweren Schlag gegen die Loyalität" in den Unternehmen dar und beschwöre die Gefahr des Denunziantentums herauf. Konkret kritisierte der BDA-Vertreter, dass Beschäftigte Anzeigen schon dann erstatten können sollen, wenn sie den subjektiven Eindruck haben, ein Problem sei innerbetrieblich nicht zu lösen.

Michael Andritzky von der Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuss hob hervor, dass die Lebensmittelindustrie eine "gewaltige Eigensicherung" betreibe, um Fehler im Produktionsablauf weitgehend auszuschließen. Im Falle krimineller Machenschaften wie etwa beim Gammelfleisch könnten Arbeitnehmer bereits heute ihre Arbeitgeber anzeigen. Wenn sich Kriminalität dieser Art nicht durch Strafgesetze und wirtschaftliche Sanktionen wie Betriebsschließungen verhindern lasse, dann auch nicht durch die geplante Gesetzesnovelle. Offenbar wolle sich der Staat zum Teil seiner Überwachungsfunktion entledigen und diese Aufgabe Arbeitnehmern zuschieben. Andritzky sagte, jede Anzeige berge die Gefahr in sich, dass ein Unternehmen unberechtigt an den Pranger gestellt werde und eine massive Rufschädigung erleide.

Aus Sicht von Dieter Deiseroth kann ein gesetzlich verankertes Anzeigerecht das zivilgesellschaftliche Engagement stärken. Der Richter am Bundesverwaltungsgericht hält eine solche Regelung für geboten, weil die Rechtslage zu dieser Problematik Defizite aufweise. Für Klaus Rinck vom Bundesarbeitsgericht ist die Gesetzesänderung angesichts der bereits erfolgten Rechtsprechung zu dieser Thematik "nicht zwingend notwendig", könne aber mehr Klarheit schaffen.

Er plädierte dafür, Arbeitnehmer zu einer sorgfältigen Prüfung eines Verdachts zu verpflichten, bevor sie Anzeige erstatten. Solche Anzeigen sollten nur bei Staatsanwaltschaften und zuständigen Behörden möglich sein, so Rinck, hingegen solle der Weg zu Medien oder Verbraucherverbänden nicht eröffnet werden. Stehe hinter dem Vorgehen eines Beschäftigten das Motiv, sich am Arbeitgeber zu rächen oder diesen zu schädigen, so müsse eine Kündigung möglich sein.
(Deutscher Bundestag: ra)

Lesen Sie auch zum Thema:
DGB beschließt Forderungen zum Informantenschutz
Whistleblowing bei Straftaten von Vorgesetzten


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • AfD will Gebäudeenergiegesetz abschaffen

    Die AfD-Fraktion will das Gebäudeenergiegesetz (GEG) abschaffen und verlangt in einem Antrag (21/227) außerdem, auf die CO2-Bepreisung von Heizöl und Gas zu verzichten. Die entsprechenden Vorschriften sollen "schnellstmöglich, vollständig und ersatzlos" gestrichen werden. Zudem soll die Umsetzung aller entsprechenden EU Verordnungen und Richtlinien (etwa der sogenannte Green Deal der EU) sowie damit verbundene Regulierungen wie der CO2-Grenzausgleich sofort beendet werden.

  • Änderung der Verordnung (EU) 2017/625

    Die Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen drängt auf eine verpflichtende Produktkennzeichnung für Lebensmittel, die genomisch verändert wurden. Anlass ist ein Vorschlag der Europäischen Kommission, die im Juli 2023 einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über mit genomischen Techniken gewonnene Pflanzen und die aus ihnen gewonnenen Lebens- und Futtermittel vorgelegt hat.

  • Steuerhinterziehung & Cum-Cum

    Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt in einem Antrag (21/226), organisierte Steuerhinterziehung wie die sogenannten Cum-Cum-Deals aufzuklären und die Steuermilliarden konsequent zurückzufordern. Dazu sollen die Aufbewahrungsfristen für Belege bei Finanzinstitutionen verlängert werden. Der Antrag steht am Donnerstag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages.

  • Ausschuss gegen Cum-Cum-Antrag der Grünen

    Der Finanzausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD einen Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Organisierte Steuerhinterziehung wie Cum-Cum-Deals aufklären, Steuermilliarden konsequent zurückfordern und Aufbewahrungsfristen für Belege bei Finanzinstitutionen verlängern" (21/226) abgelehnt. Für den Antrag stimmten neben der Antragstellerin die Fraktionen der AfD und Die Linke.

  • Versorgungslage signifikant verbessert

    Die Inbetriebnahme des vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) entwickelten Frühwarnsystems bei Arzneimittel-Lieferengpässen in einer funktionsfähigen Basisversion ist nach Angaben der Bundesregierung für das vierte Quartal 2025 vorgesehen. Der Aufbau des Frühwarnsystems habe insbesondere bei der Beobachtung und Bewertung der Versorgung mit antibiotikahaltigen Arzneimitteln für Kinder unterstützende Daten geliefert, heißt es in der Antwort (21/338) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (21/171) der AfD-Fraktion.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen