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BKA-Gesetz: IT-Grundrecht ad absurdum geführt


Heimliche Online-Durchsuchung: Mit der jetzt erfolgten Koalitions-Einigung sollen die in Karlsruhe aufgestellten Hürden übersprungen werden
Lauschen, spähen, Festplatten ausschnüffeln: Die Bundesregierung hat nicht verstanden, dass das Bundesverfassungsgericht eindringlich davor gewarnt hat, durch gebündelte Maßnahmen Persönlichkeitsprofile zu ermöglichen


(17.04.08) - Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) und Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) haben sich auf einen Gesetzentwurf für Online-Durchsuchungen geeinigt. ''Meine Befürchtung war schon immer, dass sich der Widerstand der SPD gegen die heimliche Online-Durchsuchung in Schall und Rauch auflösen wird'', kritisiert FDP-Innenpolitiker Max Stadler. Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Gisela Piltz, wirft der SPD vor, verantwortungslos mit dem Grundgesetz umzugehen. "Lauschen, spähen, Festplatten ausschnüffeln – die Bundesregierung hat nicht verstanden, dass das Bundesverfassungsgericht eindringlich davor gewarnt hat, so weit zu gehen, durch die gebündelten Maßnahmen Persönlichkeitsprofile möglich zu machen", so Piltz.

Im vergangenen Jahr hatte sich Justizministerin Brigitte Zypries noch wortreich gegen die Einführung des Bundestrojaners ausgesprochen. Jetzt knickte sie ein, nachdem seitens der CDU darauf verzichtet wurde, auch in die Wohnungen von Verdächtigten einzubrechen, um eine genannten "Remote Forensic Software" zu installieren.

Im Februar hatte das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil die nordrhein-westfälischen Vorschriften zur Online-Durchsuchung für verfassungswidrig erklärt und klar gemacht, dass es enge Grenzen geben müsse für Eingriffe in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung. Ohne eine konkrete Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut und ohne eine vorherige Anordnung eines Richters seien Online-Durchsuchungen nicht zulässig, so die Karlsruher Richter.

Mit der jetzt erfolgten Einigung der beiden Minister sollen die in Karlsruhe aufgestellten Hürden für die heimliche Online-Schnüffelei übersprungen werden. Nach Angaben des Innenministeriums wird davon ausgegangen, dass der Gesetzentwurf noch vor der Sommerpause dem Bundeskabinett vorgelegt werden kann.

Bürger sich nicht auf die SPD verlassen, wenn ihnen ihre Grundrechte etwas wert sind
Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, macht deutlich, dass die Liberalen bei ihrer ablehnenden Haltung gegenüber heimlichen Online-Durchsuchungen bleibt. "Wir sehen uns in unserer kritischen Haltung zum BKA-Gesetz insbesondere auch dadurch bestärkt, dass der Bundesinnenminister zusätzlich den Spähangriff auf die Tagesordnung gesetzt hat", so Piltz.

Ihrer Ansicht nach wird die Grenze überschritten, welche das von Karlsruhe festgestellte neue "IT-Grundrecht" zieht. "Es reicht nicht, nur die Einzelmaßnahme zu betrachten, sondern die Maßnahmen müssen in Zusammenhang mit den unzähligen Überwachungsmöglichkeiten gestellt und dann darauf geprüft werden, ob das alles noch verfassungsmäßig ist", erklärt Piltz. Sie verweist darauf, dass in der Regierung zumindest der eine Koalitionspartner nicht wirklich daran glaube, dass der mit "heißer Nadel" gestrickte Entwurf für ein neues BKA-Gesetz vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestehen werde. Das "Herumgeeiere" der SPD sei aber mitnichten der Beweis, dass die Sozialdemokraten auf einmal das Grundgesetz für sich entdeckt haben, sondern zeige lediglich, wie beliebig die SPD geworden ist – und dass die Bürger sich nicht auf die SPD verlassen dürfen, wenn ihnen ihre Grundrechte etwas wert sind.

Schwerwiegender Grundrechtseingriff
"Heimliche Online-Durchsuchungen sind ein schwerwiegender Grundrechtseingriff. Termine, Kontakte, Photos, Tagebücher – die Festplatten der Menschen sagen mindestens ebenso viel wie und zum Teil sogar noch mehr über deren Persönlichkeit aus als ihre Wohnungen. Hier muss der Staat eine Grenze ziehen: Es gibt keinen Automatismus, dass alles gemacht werden muss, was gemacht werden kann", so Piltz.

FDP-Innenpolitiker Max Stadler erklärte in der ''Berliner Zeitung'' ebenfalls, dass die Liberalen dem Vorhaben von Schäuble und Zypries weiter sehr skeptisch gegenüber stehen. Denn selbst wenn die Hürden des Bundesverfassungsgerichts dabei nicht übersprungen würden, hieße dies noch lange nicht, dass man die Online-Durchsuchung politisch gut heißen müsse, so Stadler.
(FDP: ra)

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