Sie sind hier: Home » Recht » EU & Europa » Europäische Kommission

Bekämpfung von Steuerbetrug & Steuerhinterziehung


Europäische Kommission plädiert für schrittweise Abkehr von einstimmiger EU-Steuerpolitik
Der vorgelegte Ansatz würde eine neue Dynamik in der EU-Steuerpolitik entfachen und die Beschlussfassung in diesem Bereich in einer Zeit neu beleben, in der die Zukunft der Steuerpolitik für die internationale Gemeinschaft zu einem brennenden Thema geworden ist



Die Europäische Kommission hat die Debatte über die Reform des Beschlussfassungsverfahrens in der EU-Steuerpolitik angestoßen. Gegenwärtig müssen die Mitgliedstaaten in diesem Bereich einstimmig beschließen. Oftmals kann jedoch bei wichtigen Steuerinitiativen keine Einstimmigkeit erzielt werden, und wenn doch, führt sie mitunter zu kostspieligen Verzögerungen und suboptimalen politischen Ergebnissen. "Unsere zunehmend globalisierten Volkswirtschaften sind auf moderne und ehrgeizige Steuersysteme angewiesen", erklärte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. "Ich bin weiterhin nachdrücklich dafür, bei künftigen Fragen der Besteuerung in unserer Union zur Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit überzugehen und dem Europäischen Parlament eine stärkere Stimme zu geben."

In der veröffentlichten Mitteilung schlägt die Kommission einen Fahrplan vor, um in bestimmten Bereichen der gemeinschaftlichen Steuerpolitik schrittweise und gezielt zur Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit (BQM) im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens überzugehen, wie es bereits in den meisten anderen Politikbereichen der EU üblich ist. Diese Möglichkeit ist in den EU-Verträgen vorgesehen.

Bei der Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit wären die Mitgliedstaaten in der Lage, schnellere, wirksamere und demokratischere Kompromisse in Steuerangelegenheiten zu finden, sodass das volle Potenzial dieses Politikbereichs ausgeschöpft würde. Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren würde darüber hinaus sicherstellen, dass das Europäische Parlament einen konkreten Beitrag zu steuerpolitischen Beschlüssen leisten könnte, wodurch die Ansichten der Bürger besser vertreten und die Rechenschaftspflicht erhöht würde.

Die Kommission schlägt nicht vor, die Zuständigkeiten der EU im Bereich der Besteuerung zu ändern oder das Recht der Mitgliedstaaten, nach eigenem Ermessen Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuersätze festzulegen, anzutasten. Vielmehr geht es darum, die Mitgliedstaaten in die Lage zu versetzen, auf effizientere Weise ihre bereits gebündelte Steuerhoheit auszuüben, um auf diese Weise schneller auf gemeinsame Herausforderungen reagieren zu können.

Kommissionspräsident Juncker hatte sich in seiner letzten Reden zur Lage der Union für einen Übergang zur qualifizierten Mehrheit in Steuerangelegenheiten ausgesprochen. Der Kommissar für Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten, Steuern und Zoll, Pierre Moscovici, fügte seinerseits hinzu: "Seit der Entstehung der Gemeinschaft vor 60 Jahren ist die EU auf dem Gebiet der Steuerpolitik tätig. Während in den 1950er Jahren die Einstimmigkeit in diesem Bereich mit sechs Mitgliedstaaten noch sinnvoll war, so ist dies heute nicht mehr der Fall. Die Einstimmigkeitsregel im Steuerbereich erscheint zunehmend als politisch anachronistisch, rechtlich problematisch und wirtschaftlich kontraproduktiv. Ich bin mir vollkommen darüber im Klaren, wie heikel dieses Thema ist, aber deswegen dürfen wir die Diskussion nicht tabuisieren."

Das Einstimmigkeitsprinzip hat dazu geführt, dass einige wichtige Vorschläge für Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Steuergerechtigkeit im Binnenmarkt seit Jahren festgefahren sind. Hinzu kommt, dass das demokratisch gewählte Europäische Parlament in diesem Beschlussfassungsverfahren bislang nur eine beratende Funktion hat.

Der vorgelegte Ansatz würde eine neue Dynamik in der EU-Steuerpolitik entfachen und die Beschlussfassung in diesem Bereich in einer Zeit neu beleben, in der die Zukunft der Steuerpolitik für die internationale Gemeinschaft zu einem brennenden Thema geworden ist. Die Behebung der mit dem derzeitigen Rechtsrahmen verbundenen Schwierigkeiten würde den Ruf der EU als weltweit führende Kraft, wenn es um realistische Lösungen für die steuerpolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts geht, festigen.
In der vorgelegten Mitteilung fordert die Kommission die Staats- und Regierungschefs der EU, das Europäische Parlament und sonstige Akteure auf, zu prüfen, ob ein allmählicher, in vier Schritten erfolgender Übergang zu einem Beschlussfassungsverfahren mit qualifizierter Mehrheit möglich ist.

In einem ersten Schritt würden sich die Mitgliedstaaten darauf einigen, bei Maßnahmen, die die Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung zwischen den Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung verbessern, sowie bei verwaltungsrechtlichen Initiativen zugunsten von Unternehmen in der EU (z. B. harmonisierte Meldepflichten) zur Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit überzugehen (Schritt 1). Diese Maßnahmen werden in der Regel von allen Mitgliedstaaten begrüßt, sie werden jedoch aus Gründen, die nichts mit der Steuerpolitik zu tun haben, oftmals blockiert.

In gleicher Weise sollte in einem zweiten Schritt die Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit als nützliches Instrument für die Durchführung von steuerpolitischen Maßnahmen eingesetzt werden, die anderen politischen Zielen zugute kommen, z. B. der Bekämpfung des Klimawandels, dem Umweltschutz oder der Verbesserung der öffentlichen Gesundheit (Schritt 2).

In der vorgelegten Mitteilung wird vorgeschlagen, dass sich die Mitgliedstaaten rasch auf einen Beschluss zur Ausgestaltung der Schritte 1 und 2 einigen.

In einem dritten Schritt soll der Rückgriff auf die Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit dazu beitragen, die Modernisierung bereits harmonisierter EU-Vorschriften, etwa im Bereich des Mehrwertsteuer- oder Verbrauchsteuerrechts, voranzubringen (Schritt 3). Durch eine raschere Beschlussfassung in diesen Bereichen könnten die Mitgliedstaaten besser auf technologische Entwicklungen und Marktveränderungen reagieren, was sowohl den EU-Ländern als auch den Unternehmen zugute käme.
In einem vierten Schritt würde auch bei großen Steuerprojekten wie der gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) zur Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit übergegangen und ein neues System zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft eingeführt werden (Schritt 4). Beide Maßnahmen müssten dringend umgesetzt werden, um eine faire und wettbewerbsfähige Besteuerung in der EU zu garantieren. So kommt insbesondere die GKKB aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips weiterhin nur sehr langsam voran.

In der vorgelegten Mitteilung wird vorgeschlagen, dass die Mitgliedstaaten die Schritte 3 und 4 gegebenenfalls bis Ende 2025 ausgestalten.

Die Maßnahmen in den genannten Bereichen wären im Rahmen der sogenannten "Überleitungsklausel" (Artikel 48 Absatz 7 EUV) möglich, wonach unter bestimmten Umständen ein Übergang zur Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit und zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren möglich ist. Eine Änderung des EU-Vertrags ist hierfür nicht notwendig.

Nächste Schritte
Die Kommission fordert nun die Mitgliedstaaten, das Europäische Parlament und alle Interessenträger auf, in einen konstruktiven Dialog über die Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit in der Steuerpolitik der EU einzutreten und zeitnah einen pragmatischen Ansatz für eine entsprechende Umsetzung auszuarbeiten.

Insbesondere sind die Staats- und Regierungschefs der EU aufgefordert, den vorgelegten Fahrplan zu billigen und zeitnah Beschlüsse über die Anwendung der in den Verträgen festgelegten einschlägigen Rechtsvorschriften zu treffen. (Europäische Kommission: ra)

eingetragen: 23.01.19
Newsletterlauf: 04.03.19


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Europäische Kommission

  • Was sind die Kernelemente der überarbeiteten EPBD?

    Mit der überarbeiteten Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) wird Europa auf den richtigen Weg gebracht, bis 2050 einen vollständig dekarbonisierten Gebäudebestand zu erreichen, indem Renovierungen in jedem Mitgliedstaat vorangetrieben werden, insbesondere bei Gebäuden mit der schlechtesten Gesamtenergieeffizienz. Der (2018 vereinbarte) bestehende Rechtsrahmen wird aktualisiert, um ehrgeizigeren Klimaschutzzielen in Verbindung mit sozialen Maßnahmen Rechnung zu tragen, und gibt den Mitgliedstaaten die nötige Flexibilität, um den Unterschieden im Gebäudebestand in Europa Rechnung zu tragen.

  • Ein verstärkter industrieller Ansatz

    Die EU-Kommission hat eine Mitteilung angenommen, in der sie zu einer Reihe von Energiewende-Dialogen über die Umwandlung Europas in eine saubere, ressourceneffiziente, gerechte und wettbewerbsfähige Wirtschaft Bilanz zieht. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte in ihrer Rede zur Lage der Union 2023 die Aufnahme von Energiewende-Dialogen angekündigt. In diesem Rahmen soll zusammen mit der europäischen Industrie und den Sozialpartnern erörtert werden, wie die Umsetzung des europäischen Grünen Deals gestärkt und gefördert werden kann, was wiederum zu einem verstärkten industriellen Ansatz beiträgt.

  • Grünen Wandel beschleunigen

    Die Europäische Kommission hat eine mit 2,2 Mrd. EUR ausgestattete deutsche Beihilferegelung genehmigt, mit der Investitionen in die Dekarbonisierung industrieller Produktionsprozesse gefördert werden sollen, um den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft im Einklang mit dem Industrieplan zum Grünen Deal zu unterstützen. Die Regelung wurde auf der Grundlage des von der Kommission am 9. März 2023 angenommenen und am 20. November 2023 geänderten Befristeten Rahmens zur Krisenbewältigung und zur Gestaltung des Wandels genehmigt, um Maßnahmen in Bereichen zu fördern, die für die Beschleunigung des grünen Wandels und die Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen von entscheidender Bedeutung sind.

  • Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs

    Die Europäische Kommission hat eine mit 350 Mio. EUR ausgestattete deutsche Regelung zur Förderung der Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff über das Instrument "Auctions-as-a-Service" (" Auktionen als Dienstleistung") der Europäischen Wasserstoffbank nach den EU-Beihilfevorschriften genehmigt.

  • Erfüllung von Umweltschutzauflagen

    Um ihrer Verpflichtung nachzukommen, den Verwaltungsaufwand für Landwirtinnen und Landwirte in der EU zu verringern, hat die Europäische Kommission vorgeschlagen, einige Bestimmungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zu überarbeiten, um Vereinfachungen zu bewirken und gleichzeitig eine starke, nachhaltige und wettbewerbsfähige Politik für Landwirtschaft und Lebensmittel in der EU aufrechtzuerhalten.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen