Sie sind hier: Home » Recht » EU & Europa » Europäische Kommission

Mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang?


Staatliche Beihilfen: Europäische Kommission leitet eingehende Prüfverfahren zum belgischen, französischen und deutschen Luftverkehrssektor ein
Neue Entgeltordnung (NEO) könnte den Fluggesellschaften, die den Dortmunder Flughafen nutzen, einen unangemessenen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber ihren Wettbewerbern verschaffen


(29.03.12) - Die Europäische Kommission hat eine Untersuchung bestimmter finanzieller Vereinbarungen zwischen staatlichen Stellen und den Flughäfen Charleroi (Belgien), Angoulême (Frankreich) und Dortmund (Deutschland) eingeleitet. Die Verfahren erstrecken sich auch auf Rabatte sowie auf Marketingverträge, die die jeweiligen Flughäfen mit einigen der dort tätigen Luftfahrtgesellschaften geschlossen haben. Geprüft wird, ob diese Vereinbarungen mit den EU-Vorschriften über staatliche Beihilfen vereinbar sind. Die Einleitung einer eingehenden Prüfung gibt Beteiligten die Möglichkeit, zu den betreffenden Maßnahmen Stellung zu nehmen. Das Verfahren wird ergebnisoffen geführt.

Ein bereits im Dezember 2002 eingeleitetes Verfahren, das bestimmte Vorteile betrifft, die der Billigfluggesellschaft Ryanair gewährt wurden, als sie ihre Basis auf dem Flughafen Charleroi einrichtete, ist nun von der Kommission ausgeweitet worden. Außerdem leitete sie zwei neue Prüfverfahren ein, in denen sie sich mit der Finanzierung der Flughäfen Angoulême und Dortmund befasst.

Investitionen öffentlicher Stellen in wirtschaftliche Tätigkeiten stehen mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang, wenn sie zu Bedingungen erfolgen, die für einen marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgeber annehmbar wären. Beihilfen für Investitionen in Luftverkehrsinfrastruktur können grundsätzlich als mit den Leitlinien für staatliche Beihilfen im Luftverkehrssektor vereinbar angesehen werden, wenn sie erforderlich und angemessen sind, ein dem Gemeinwohl dienendes Ziel verfolgen, den Handel im Binnenmarkt nicht ungebührlich beeinträchtigen und der diskriminierungsfreie Zugang für alle Nutzer gewährleistet ist. Bei Betriebsbeihilfen hingegen sind Verzerrungen des Wettbewerbs zwischen den Flughäfen weitaus wahrscheinlicher; sie sind daher grundsätzlich mit dem Binnenmarkt unvereinbar.

Anhand der ihr vorliegenden Informationen kann die Kommission nicht ausschließen, dass die Maßnahmen zugunsten dieser drei Flughäfen und der sie nutzenden Luftfahrtgesellschaften staatliche Beihilfen beinhalten, die ihnen einen unfairen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Konkurrenten verschaffen, und daher mit dem Binnenmarkt unvereinbar sind.

Der Flughafen Charleroi
Charleroi (CRL) ist ein belgischer Regionalflughafen in der Wallonischen Region (Provinz Hennegau). 2004 genehmigte die Kommission einen Teil der öffentlichen Unterstützung für Ryanair, ordnete jedoch die Rückforderung derjenigen staatlichen Beihilfen an, die nicht mit dem EU-Recht vereinbar waren. 2008 befand das Gericht der Europäischen Union, dass die Kommission den Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers nicht korrekt angewandt hatte und erklärte deshalb ihre Entscheidung für nichtig. Die Kommission hat nun den Fall wieder aufgenommen, um dem Gerichtsurteil nachzukommen.

Dabei hat die Kommission ihre Untersuchung auf mögliche staatliche Beihilfen ausgeweitet, die zuvor nicht Gegenstand des Verfahrens waren, so dass sie die Situation in Charleroi nach demselben Ansatz wie die übrigen derzeit von der Kommission untersuchten Flughäfen prüfen kann. Die Ausweitung des Verfahrens betrifft zwei Sachverhalte:

Erstens könnten die Zuwendungen zugunsten von BSCA, dem Betreiber des Flughafens Charleroi, von den Eigentümern des Flughafengeländes und der Flughafeninfrastruktur – der Region Wallonien und der Société Wallonne des Aéroports S.A. (Sowaer) – gewährt worden sein. Zum jetzigen Zeitpunkt hat die Kommission Zweifel daran, dass die Überlassung dieser Flughafeninfrastruktur nach dem Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers erfolgt ist.

Zweitens hat die Kommission mittlerweile auch Bedenken hinsichtlich bestimmter 2004, 2005 und 2010 vorgenommener Änderungen an den Verträgen von 2001, in denen die Konditionen für den Zugang von Ryanair zu den Flughafendiensten geregelt sind und deren ursprüngliche Fassung bereits Gegenstand des ersten Prüfverfahrens waren. Die Kommission wird ferner untersuchen, ob ein Teil der etwaigen Beihilfen zugunsten des Flughafenbetreibers an die Fluggesellschaft weitergegeben wurden.

Der Flughafen Angoulême
Angoulême (ANG) ist ein französischer Flughafen in Charente (Region Poitou-Charentes). Zwischen 2002 und 2012 wurden dem Flughafen mehrfach Infrastrukturbeihilfen und öffentliche Mittel zur Finanzierung des Flughafenbetriebs gewährt. Die Kommission hat Zweifel daran, dass der Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers befolgt wurde. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob gewisse zwischen dem Flughafen und Ryanair 2008 vertraglich vereinbarte Rabatte bzw. Marketingvereinbarungen dieser Luftfahrtgesellschaft möglicherweise ungebührliche wirtschaftliche Vorteile gegenüber ihren Wettbewerbern verschafft haben.

Der Flughafen Dortmund – NEO
Dortmund (DTM) ist ein Regionalflughafen in Nordrhein-Westfalen. Die Kommission hatte bereits 2007 ein eingehendes Prüfverfahren zur öffentlichen Finanzierung dieses Flughafens sowie der für die Fluggesellschaften geltenden Entgeltordnung eingeleitet. Jetzt wurde eine zweite Untersuchung eröffnet, die staatliche Garantien zugunsten des Flughafens und die 2009 eingeführte Neue Entgeltordnung (NEO) zum Gegenstand hat. Die Kommission befürchtet, dass die NEO den Fluggesellschaften, die den Dortmunder Flughafen nutzen, einen unangemessenen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber ihren Wettbewerbern verschaffen könnte.

Hintergrund
Die Kommission führt derzeit mehrere Untersuchungen in der Luftverkehrsbranche durch.

Die Kommission plant dieses Jahr nach einer öffentlichen Konsultation die Leitlinien für den Luftverkehrssektor, die Beihilfen sowohl an Luftverkehrsgesellschaften als auch zur Förderung von Flughafeninfrastruktur betreffen, zu revidieren. (Europäische Kommission: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Europäische Kommission

  • Forderungen nach mehr Flexibilität

    Die Europäische Kommission hat offiziell eine Verordnung angenommen, mit der europäischen Landwirtinnen und Landwirten eine teilweise Ausnahme von der Konditionalitätsregelung für brachliegende Flächen gewährt wird. Dem vorangegangen waren der Vorschlag der Kommission vom 31. Januar sowie Gespräche mit den Mitgliedstaaten in Ausschusssitzungen.

  • Verwaltungsaufwand für Landwirte begrenzen

    Die Europäische Kommission hat dem belgischen Ratsvorsitz ein Papier übermittelt, in dem erste mögliche Maßnahmen zur Verringerung des Verwaltungsaufwands für die Schultern der Landwirte dargelegt werden. Das Dokument enthält eine Reihe kurz- und mittelfristiger Maßnahmen, die zur Vereinfachung ergriffen werden können

  • Wegweisendes Regelwerk der EU

    Das Gesetz über digitale Dienste ist das wegweisende Regelwerk der EU, mit dem das Online-Umfeld sicherer, gerechter und transparenter gemacht werden soll, und wird auf alle Online-Vermittler in der EU angewandt. Es schützt die Nutzer in der EU besser vor illegalen Waren und Inhalten und sorgt für die Wahrung ihrer Rechte auf Online-Plattformen, auf denen sie mit anderen Nutzern in Kontakt treten, Informationen austauschen oder Produkte kaufen.

  • Untersuchung betrifft mutmaßliche Mängel

    Die Europäische Kommission hat ein förmliches Verfahren eingeleitet, um zu prüfen, ob TikTok in den Bereichen Jugendschutz, Transparenz der Werbung, Datenzugang für Forschende sowie Risikomanagement in Bezug auf suchterzeugendes Design und schädliche Inhalte möglicherweise gegen das Gesetz über digitale Dienste verstoßen hat.

  • Influencer-Posts in sozialen Medien

    Die Europäische Kommission und die nationalen Verbraucherschutzbehörden von 22 Mitgliedstaaten sowie Norwegen und Island haben die Ergebnisse einer Überprüfung ("Sweep") von Influencer-Posts in den sozialen Medien veröffentlicht. Demnach veröffentlichen fast alle Influencerinnen und Influencer (97 Prozent) kommerzielle Inhalte, aber nur jeder fünfte gibt systematisch an, dass es sich bei diesem Content um Werbung handelt.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen