Sie sind hier: Home » Recht » EU & Europa » Europäische Kommission

Kartellvergehen: System zur Kundenzuteilung


Kartellrecht: Europäische Kommission verhängt gegen drei EU-Eisenbahnunternehmen Geldbußen in Höhe von 48 Mio. EUR wegen Kundenzuteilungskartell
Zuwiderhandlung betraf grenzüberschreitende Schienengüterverkehrsdienste in der EU, die von ÖBB, DB und SNCB im Rahmen des Frachtaufteilungsmodells in "Ganzzügen" erbracht wurden



Die Europäische Kommission hat gegen die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), die Deutsche Bahn (DB) und die Société Nationale des Chemins de fer belges/Nationale Maatschappij der Belgische Spoorwegen (SNCB) wegen eines Verstoßes gegen das EU-Kartellrecht Geldbußen in Höhe von insgesamt 48 Mio. EUR verhängt.

Die Unternehmen waren an einem Kartell beteiligt, bei dem es um die Aufteilung von Kunden ging, die auf wichtigen Eisenbahnkorridoren in der EU in Ganzzügen erbrachte grenzüberschreitende Schienengüterverkehrsdienste in Anspruch nahmen. Die drei Unternehmen räumten ihre Kartellbeteiligung ein und stimmten einem Vergleich zu.

Die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission Margrethe Vestager erklärte dazu: "Der Schienengüterverkehr ist für ein nachhaltiges Wirtschaftsmodell von entscheidender Bedeutung. Fairer Wettbewerb gewährleistet, dass Kunden, die nachhaltige Verkehrsmittel nutzen, das bestmögliche Angebot erhalten. Ein Kartell zwischen Bahnbetreibern, die Schienengüterverkehrsdienste auf wichtigen Eisenbahnkorridoren in der gesamten EU anbieten, läuft dem Ziel eines fairen Wettbewerbs grundsätzlich zuwider. Der heutige Beschluss sendet ein klares Signal, dass derartige wettbewerbswidrige Absprachen nicht hinnehmbar sind."

Die Zuwiderhandlung betraf grenzüberschreitende Schienengüterverkehrsdienste in der EU, die von ÖBB, DB und SNCB im Rahmen des Frachtaufteilungsmodells in "Ganzzügen" erbracht wurden.

Ganzzüge sind Frachtzüge, die Güter von einem Ort, etwa der Produktionsstätte des Verkäufers der beförderten Güter, zu einem anderen Ort, etwa einem Lager, transportieren, ohne zwischendurch aufteilt oder abgestellt zu werden.

Bei dem im internationalen Eisenbahnrecht vorgesehenen Vertragsmodell der Frachtteilung bieten Eisenbahnunternehmen, die grenzüberschreitende Schienenverkehrsdienste erbringen, ihren Kunden im Rahmen eines einzigen multilateralen Vertrags einen festen Pauschalpreis für die benötigte Dienstleistung an.

Die Untersuchung der Kommission ergab, dass sich die drei Eisenbahnunternehmen durch den wettbewerbswidrigen Austausch von Informationen über Kundenanfragen nach wettbewerblichen Angeboten abstimmten und sich gegenseitig höhere Preisangebote verschafften, um ihren Geschäftsbereich zu schützen. Die Unternehmen beteiligten sich damit an einem System zur Kundenzuteilung, was nach den EU-Wettbewerbsvorschriften verboten ist.

Das wettbewerbswidrige Verhalten erstreckte sich vom 8. Dezember 2008 bis zum 30. April 2014. SNCB war daran allerdings erst ab dem 15. November 2011 und ausschließlich in Bezug auf Transporte durch ÖBB, DB und SNCB beteiligt. Das Kartell betraf den konventionellen Frachtverkehr (mit Ausnahme des Automobiltransports).

Geldbußen

Die Geldbußen wurden auf der Grundlage der Leitlinien der Kommission zur Festsetzung von Geldbußen aus dem Jahr 2006 festgesetzt.

Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen berücksichtigte die Kommission insbesondere den Umsatz, den die Kartellteilnehmer mit den fraglichen Dienstleistungen in der EU im Jahr 2013 (dem letzten vollständigen Jahr der Zuwiderhandlung) erzielt hatten, sowie die Schwere der Zuwiderhandlung, den Umfang des betroffenen räumlich relevanten Marktes und die Dauer der Kartellbeteiligung der einzelnen Unternehmen an der Zuwiderhandlung.

Die Geldbuße für die Deutsche Bahn AG wurde um 50 Prozent erhöht, da das Unternehmen zuvor für ein anderes Kartell haftbar gemacht worden war (Sache AT.39462 – Freight Forwarding) und es sich daher um einen Wiederholungsfall handelt.

Nach der Kronzeugenregelung der Kommission aus dem Jahr 2006 ergeben sich folgende Geldbußen:
Den ÖBB wurde die Geldbuße, die ansonsten insgesamt rund 37 Mio. EUR betragen hätte, vollständig erlassen.

Die Geldbußen für DB und SNCB wurden ermäßigt, um ihre Zusammenarbeit mit der Kommission bei der Untersuchung zu honorieren. Die Höhe der Ermäßigung richtet sich danach, wann die Unternehmen ihre Zusammenarbeit angeboten haben und inwieweit die von ihnen vorgelegten Beweismittel zum Nachweis des Kartells beigetragen haben.

Darüber hinaus ermäßigte die Kommission die verhängten Geldbußen nach ihrer Mitteilung über Vergleichsverfahren aus dem Jahr 2008 um 10 Prozent, da die Unternehmen ihre Beteiligung am Kartell eingeräumt und die Verantwortung dafür übernommen hatten.

Bild: EU-Kommission


Hintergrund
Die betreffenden grenzüberschreitenden Schienengüterverkehrsdienste wurden in Ganzzügen erbracht, d. h. in Güterzügen, die von einem Standort (z. B. dem Produktionsstandort des Verkäufers der beförderten Güter) zu einem anderen Standort (z. B. einem Lager des Käufers der Güter) befördert wurden, ohne zwischendurch aufgeteilt oder abgestellt zu werden. Solche Ganzzüge bedienen in der Regel Großkunden wie Raffinerien oder Chemiewerke, die häufig ein einziges Gut über lange Zeiträume an ein und denselben Bestimmungsort befördern lassen, z. B. von den Häfen Rotterdam, Antwerpen oder Hamburg zu großen Industriestandorten in Deutschland bzw. Österreich.

Am 15. Juli 2015 erließ die Kommission einen weiteren Beschluss zu Schienengüterverkehrsdiensten. Der Ganzzug-Beschluss (AT.40098) betraf Schienengüterverkehrsdienste auf Strecken zwischen Mitteleuropa und Südosteuropa (Balkantrain, Soptrain).

Hintergrundinformationen zum Verfahren
Nach Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sind Kartelle und andere wettbewerbswidrige Verhaltensweisen einschließlich wettbewerbsbeschränkender Absprachen zur Kundenzuteilung verboten.

Die Kommission leitete die Untersuchung in dieser Sache ein, nachdem die ÖBB auf der Grundlage der Kronzeugenregelung der Kommission von 2006 einen Antrag auf Geldbußenerlass gestellt hatten. Daraufhin beantragten die anderen Kartellmitglieder Geldbußenermäßigung.

Geldbußen für Unternehmen, die gegen die EU-Kartellvorschriften verstoßen, werden in den Gesamthaushaltsplan der EU eingestellt. Die Mittel sind nicht für bestimmte Ausgaben vorgesehen. Stattdessen werden die Beiträge der Mitgliedstaaten zum EU-Haushalt für das Folgejahr entsprechend gekürzt. Somit tragen die Geldbußen zur Finanzierung der EU bei und entlasten die Steuerzahler.

Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, werden weitere Informationen zu diesem Kartellfall unter der Nummer AT.40330 im öffentlich zugänglichen Register der Kommission auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb veröffentlicht. Weitere Informationen über die Maßnahmen der Kommission gegen Kartelle finden sich auf ihrer Website unter der Rubrik "Cartels".

Das Vergleichsverfahren
Mit dem heutigen Beschluss wird der 35. Kartellvergleich seit der Einführung dieses Verfahrens im Juni 2008 (siehe Pressemitteilung und MEMO) geschlossen. Bei einem Kartellvergleich räumen die Parteien ihre Kartellbeteiligung ein und übernehmen die Verantwortung dafür. Dann kann die Kommission auf der Grundlage der Kartellverordnung 1/2003 ein einfacheres und kürzeres Verfahren anwenden. Die Vorteile eines Vergleichs liegen auf der Hand: Verbraucher und Steuerzahler haben geringere Kosten zu tragen und in der Kartellrechtsdurchsetzung werden Ressourcen für andere Fälle frei. Außerdem können die Unternehmen schneller mit einem Beschluss rechnen und zahlen eine um 10 Prozent geringere Geldbuße.

Schadensersatzklagen
Personen und Unternehmen, die von dem beschriebenen wettbewerbswidrigen Verhalten betroffen sind, können vor den Gerichten der Mitgliedstaaten auf Schadensersatz klagen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und der Verordnung 1/2003 des Rates sind Beschlüsse der Kommission ein bindender Nachweis dafür, dass das Verhalten stattgefunden hat und rechtswidrig war. Selbst wenn die Kommission gegen die Kartellbeteiligten Geldbußen verhängt hat, kann Schadensersatz zuerkannt werden. Die von der Kommission verhängte Geldbuße wird dabei nicht mindernd angerechnet.

Die Richtlinie über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen, die die Mitgliedstaaten bis zum 27. Dezember 2016 in nationales Recht umsetzen mussten, erleichtert es Opfern von Kartellrechtsverstößen, Schadensersatz zu erhalten. Weitere Informationen über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen sowie einen praktischen Leitfaden zur Ermittlung des Schadensumfangs finden Sie hier.

Instrument für Whistleblower (Hinweisgeber)
Die Kommission hat ein System eingerichtet, über das Einzelpersonen die Kommission leichter über wettbewerbswidriges Verhalten informieren können, ohne ihre Identität preiszugeben. Die Anonymität der Hinweisgeber (Whistleblower) wird durch ein ausgefeiltes Kommunikationssystem mit Verschlüsselung gewahrt, über das Mitteilungen ausgetauscht werden können. (Europäische Kommission: ra)

eingetragen: 23.04.21
Newsletterlauf: 07.07.21


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Europäische Kommission

  • Forderungen nach mehr Flexibilität

    Die Europäische Kommission hat offiziell eine Verordnung angenommen, mit der europäischen Landwirtinnen und Landwirten eine teilweise Ausnahme von der Konditionalitätsregelung für brachliegende Flächen gewährt wird. Dem vorangegangen waren der Vorschlag der Kommission vom 31. Januar sowie Gespräche mit den Mitgliedstaaten in Ausschusssitzungen.

  • Verwaltungsaufwand für Landwirte begrenzen

    Die Europäische Kommission hat dem belgischen Ratsvorsitz ein Papier übermittelt, in dem erste mögliche Maßnahmen zur Verringerung des Verwaltungsaufwands für die Schultern der Landwirte dargelegt werden. Das Dokument enthält eine Reihe kurz- und mittelfristiger Maßnahmen, die zur Vereinfachung ergriffen werden können

  • Wegweisendes Regelwerk der EU

    Das Gesetz über digitale Dienste ist das wegweisende Regelwerk der EU, mit dem das Online-Umfeld sicherer, gerechter und transparenter gemacht werden soll, und wird auf alle Online-Vermittler in der EU angewandt. Es schützt die Nutzer in der EU besser vor illegalen Waren und Inhalten und sorgt für die Wahrung ihrer Rechte auf Online-Plattformen, auf denen sie mit anderen Nutzern in Kontakt treten, Informationen austauschen oder Produkte kaufen.

  • Untersuchung betrifft mutmaßliche Mängel

    Die Europäische Kommission hat ein förmliches Verfahren eingeleitet, um zu prüfen, ob TikTok in den Bereichen Jugendschutz, Transparenz der Werbung, Datenzugang für Forschende sowie Risikomanagement in Bezug auf suchterzeugendes Design und schädliche Inhalte möglicherweise gegen das Gesetz über digitale Dienste verstoßen hat.

  • Influencer-Posts in sozialen Medien

    Die Europäische Kommission und die nationalen Verbraucherschutzbehörden von 22 Mitgliedstaaten sowie Norwegen und Island haben die Ergebnisse einer Überprüfung ("Sweep") von Influencer-Posts in den sozialen Medien veröffentlicht. Demnach veröffentlichen fast alle Influencerinnen und Influencer (97 Prozent) kommerzielle Inhalte, aber nur jeder fünfte gibt systematisch an, dass es sich bei diesem Content um Werbung handelt.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen