Kleine Preisabsprachen, großer Schaden


Verbraucherzentrale Bundesverband: Unrechtsgewinne aus Kartellverstößen müssen in vollem Umfang abgeschöpft an die Verbraucher zurückgeführt werden
Derzeit gehen geschädigte Verbraucher im Kartellrecht leer aus - Rückzahlungen müssten der Verbraucherarbeit zugutekommen


(23.03.11) - Irritiert zeigt sich der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) über wettbewerbsrelevante Absprachen unter Lebensmittelherstellern. "Konspirative Gesprächskreise unter Mitbewerbern haben in einem gesunden Wettbewerb keinen Platz", kommentierte vzbv-Vorstand Gerd Billen die jetzt vom Bundeskartellamt verhängte Millionenbuße gegen marktführende Lebensmittelhersteller. Die Bundesregierung müsse sicherstellen, dass Unrechtsgewinne aus Kartellverstößen in vollem Umfang abgeschöpft an die Verbraucher zurückgeführt werden.

Derzeit gehen geschädigte Verbraucher im Kartellrecht leer aus. Der vzbv fordert, die im Zuge von Kartellrechtsverstößen ermittelten Unrechtsgewinne zu beziffern und an die Verbraucher zurückzuführen. Dazu müsse die Bundesregierung die rechtlichen Voraussetzungen schaffen. Billen sagte: "Der Schaden für Verbraucher durch Kartellverstöße geht in Milliardenhöhe."

Da es lebensfremd wäre, jahrelang einen Kassenbon für einen Schokoriegel aufzuheben, müssten Gewinnabschöpfungen zu Gunsten der Verbraucher erleichtert werden. Die Rückzahlungen müssten der Verbraucherarbeit zugutekommen. Bei größeren Beträgen, etwa bei rechtswidrig überhöhten Kosten für Sanitäreinrichtungen, müssten effektive Muster- und Sammelklagen gewährleisten, dass Verbraucher individuell entschädigt werden. Dazu läuft derzeit ein Konsultationsverfahren der Europäischen Kommission, an dem sich Verbraucher auch direkt beteiligen können.

Das Bundeskartellamt hat die Unternehmen der Lebensmittelbranche mit einem Bußgeld in Höhe von 38 Millionen Euro wegen unzulässigen Informationsaustausches belegt. Die Unternehmen hätten sich über mehrere Jahre in einem regelmäßigen Gesprächskreis getroffen. Gegen einen weiteren großen Konsumgüterhersteller werde weiter ermittelt.

Nach Auskunft des Kartellamtes hatten sich die Hersteller vornehmlich über Süßwaren, Speiseeis, Trockenfertiggerichte, Tiefkühlpizza, Tiernahrung und Waschmittel verständigt. Nach Zahlen des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie für das Jahr 2010 lag alleine der Pro-Kopf-Verbrauch der Deutschen an Süßwaren bei insgesamt 30,57 Kilogramm (109,73 Euro), davon 9,32 Kilogramm (45,49 Euro) Schokoladenwaren und 3,71 Kilogramm (11,66 Euro) Speiseeis. Der Umsatz bei Tiernahrung belief sich laut Industrieverband Heimtierbedarf (IVH) im Jahr 2009 auf 2,694 Milliarden Euro.

Der vom Kartellamt bestätigte Fall sei laut Verbraucherzentrale kein Einzelfall:

>> Im Juni 2010 verhängte das Bundeskartellamt ein Bußgeld von insgesamt 115 Millionen Euro unter anderem gegen die fünf führenden Hersteller von Brillengläsern wegen langjähriger verbotener Preisabsprachen.

>> Im Januar 2010 hatte das Bundeskartellamt in einer Razzia unter deutschen Supermärkten und Drogerien 15 Firmen, darunter elf Supermarkt-, Drogerie- und Tierbedarfsketten durchsucht. Das Kartellamt hatte betont, dass eine viel größere Zahl von Firmen in den Fall verstrickt ist.

>> Im Herbst 2009 hatte das Bundeskartellamt ein Bußgeld in Höhe von 160 Millionen Euro gegen die drei größten deutschen Kaffeeröster verhängt. Der Schaden für die Kunden aufgrund jahrelanger Preisabsprachen dürfte mehrere Milliarden Euro betragen.

>>Ein anderes laufendes Verfahren ist das sogenannte Badezimmer-Kartell: Hersteller des Sanitärbedarfs sollen sich systematisch zwischen 2002 bis 2006 abgesprochen haben. In der Folge sollen Verbraucher wegen der Preisabsprachen um rund 20 Prozent überteuerte Preise bezahlt haben.
(Verbraucherzentrale Bundesverband: ra)

Lesen Sie auch:
Absprachen zwischen Marktteilnehmern

Verbraucherzentrale Bundesverband: Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Kommentare und Meinungen

  • Hochkompetent, verantwortungsvoll, unabhängig

    Die Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V. (DVD), eine seit über 40 Jahren aktive Bürgerrechtsorganisation, hat mit größtem Befremden zur Kenntnis genommen, dass die Bundesregierung bis heute immer noch keine Verlängerung der Amtszeit des amtierenden Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) Ulrich Kelber in Aussicht gestellt hat.

  • VdK-Präsidentin: "Riester-Rente ist gescheitert"

    Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine Sparkassen-Klausel zu Riester-Abschlusskosten für unwirksam erklärt. Die Bank hatte Sparerinnen und Sparer nicht über alle Kosten des Riester-Vertrags informiert und dann zu Beginn der Auszahlphase einen Nachschlag verlangt.

  • Gesetzliche Verpflichtung zu Barrierefreiheit

    Zur Anhörung zur Antidiskriminierungsstelle des Bundes und dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) erklärt VdK-Präsidentin Verena Bentele: "Gerne erinnere ich das Bundesjustizministerium (BMJ) an den gemeinsamen Plan im Koalitionsvertrag, das Allgemeine Gleichstellungsgesetz umfassend zu novellieren. Hier müssen endlich klare gesetzliche Regelungen geschaffen werden, die privaten Anbieter von Gütern und Dienstleistungen zur Barrierefreiheit verpflichten. Trotz Absichtserklärungen und Ankündigungen hat das für das AGG zuständige Bundesjustizministerium bisher nichts vorgelegt."

  • Gesammelte Kommentare zur US "AI Executive Order"

    Am 30. Oktober 2023 hat US-Präsident Joe Biden die "AI Executive Order" erlassen. Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse der Verordnung auf einen Blick.

  • Regulierung von Foundation Models

    Zur Debatte über eine mögliche Verzögerung beim EU AI Act, mit dem die Entwicklung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz in Europa reguliert werden soll, erklärt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst: "Der AI Act ist die wohl wichtigste Entscheidung, die Europäisches Parlament und Kommission derzeit auf der Agenda haben."

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen