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Wechsel Rürups zum Finanzdienstleister AWD


Interessenkonflikt vorprogrammiert? - Prof. Dr. Dr. h. c. Hans-Adalbert Rürup wechselt zum 1. April 2009 als ökonomischer Chefberater zum Finanzdienstleister AWD
Die über diesen Wechsel nicht informierte Bundesregierung geht nicht von einem "Konflikt bei der Verquickung von privaten und öffentlichen Interessen" aus

(21.01.09) - In der Presse schlug der geplante Wechsel von Prof. Dr. Dr. h. c. Hans-Adalbert (Bert) Rürup zum privaten Finanzdienstleister AWD bereits große Wellen und wurde allgemein sehr kritisch beurteilt. Die deutsche Bundesregierung geht allerdings nicht davon aus, dass die künftigen Aufgaben des Vorsitzenden des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage, Bert Rürup, zu einem "Konflikt bei der Verquickung von privaten und öffentlichen Interessen führen".

In ihrer Antwort (16/11455) auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion (16/11161) schreibt die Regierung außerdem, dass sie erst über die Presse (!) von dem für April 2009 geplanten Wechsel des Rürups zu dem privaten Finanzdienstleister AWD erfahren habe.

Hintergrund: Vorbemerkung der Linksfraktion zu ihrer Anfrage
"'Warum tut Bert Rürup sich das an?', fragt die 'Frankfurter Rundschau' in ihrer Ausgabe vom 20. November 2008. 'Wer in der Politik lässt sich von einem Experten beraten, der sein Geld bei einem Versicherungsverkäufer verdient? Welcher Reporter wird einen solchen Verkäufer als unabhängigen Experten zitieren?', sorgt sich die 'Süddeutsche Zeitung' vom 22. November 2008 über Rürups Reputation.

Bereits 2005 sprach der Professor für Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Technischen Universität Darmstadt 'mehr als ein Dutzend mal über das Altersvorsorgegesetz auf Kundenveranstaltungen des AWD-Konkurrenten MLP' (Handelsblatt vom 20. November 2008).

Am Mittwoch, dem 19. November 2008 wurde bekannt, dass der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Prof. Dr. Dr. h. c. Hans-Adalbert Rürup, der ebenfalls Vorsitzender des Sozialbeirats der Bundesregierung ist, zum 1. April 2009 als ökonomischer Chefberater zum Finanzdienstleister AWD wechselt. Dort wird er den Marktführer in Europa in allen Fragen der ökonomischen Analyse der Altersvorsorge, Demografie und Produktinnovation beraten. In seiner neuen Funktion wird Hans-Adalbert Rürup verantwortlich sein für den Gesamtbereich 'Ökonomische Analysen' sowie – als Sonderberater – für die Erschließung neuer Märkte für betriebliche und private Altersvorsorgeprodukte. 'Hierbei wird der Schwerpunkt zunächst auf den Märkten Russland und China liegen.' (AWD-Pressemitteilung vom 20. November 2008). Wie die 'Frankfurter Allgemeine' in ihrer Ausgabe vom 21. November 2008 berichtet, kennen sich SPD-Mitglied Rürup und der AWD Gründer und Co-Vorstandsvorsitzende Carsten Maschmeyer bereits seit einigen Jahren. Maschmeyer habe sich nach eigener Aussage schon früher 'so manchen Tipp aufgeschrieben'.

Die AWD Holding AG ist u. a. Anbieter eben jener maßgeblich von Professor Rürup im Rahmen der Einführung der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge in der Bundesrepublik Deutschland entwickelten Altersvorsorgeprodukte, etwa die so genannte 'Riester-Rente' bzw. die nach ihm benannte 'Rürup-Rente'. Professor Rürup wird nun also genau jene Produkte vertreiben, die er selbst während seiner langjährigen Beratertätigkeit für wechselnde Bundesregierungen immer wieder empfohlen oder selbst entwickelt hat. Als offizieller Berater der chinesischen Regierung beim Aufbau eines umfassenden Systems der Alterssicherung (Handelsblatt vom 20. November 2008), nutzt er ferner Kontakte zu Regierungen in anderen Ländern, z. B. Kasachstan 1993 bis 1995 und Österreich 1995 bis 1997, dazu, durch Beratung dieser Regierungen seinem zukünftigen Arbeitgeber weitere Märkte zu erschließen.

Zudem war er von 1992 bis 2002 Mitglied der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages 'Demografischer Wandel', 1996 bis 1998 Mitglied der Kommission der Bundesregierung 'Fortentwicklung der Rentenversicherung', 1999 bis 2001 Mitglied im Expertenkreis des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung zur Vorbereitung der Rentenreform 2001, seit 2000 fungiert er als Vorsitzender des Sozialbeirats für die Rentenversicherung. Im Jahr 2000 folgte er dem Ruf in den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 'Rat der Wirtschaftsweisen', dessen Vorsitz er im März 2005 übernommen hat. 2002 wurde Professor Rürup zudem Vorsitzender in der Sachverständigenkommission zur Neuordnung der Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkommen sowie der Kommission für die Nachhaltigkeit in der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme ('Rürup-Kommission').

Den Vorsitz und seine Mitgliedschaft des Sachverständigenbeirats will Professor Rürup erst nach Beendigung seiner Lehrtätigkeit an der TU Darmstadt am 28. Februar 2009 aufgeben, bevor er zum 1. April 2009 zur AWD Holding AG wechselt. Erst Anfang Oktober hatte der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Olaf Scholz (SPD), Professor Rürup für weitere vier Jahre in den Sozialbeirat der Bundesregierung berufen. Anfang November ließ sich Professor Rürup noch einmal zum Vorsitzenden wählen (vgl. DER SPIEGEL vom 24. November 2008).

Aufgabe des Sozialbeirats ist die Erstellung eines Gutachtens zum Rentenversicherungsbericht (vgl. § 155 Abs. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – SGB VI). Damit sollen den gesetzgebenden Körperschaften Entscheidungshilfen für die zukünftige rentenrechtliche Gesetzgebung gegeben werden. Motiv dieser Regelung ist darüber hinaus, die Aussagen des Rentenversicherungsberichts durch ein unabhängiges Gremium zu objektivieren (vgl. Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 58. Ergänzungslieferung 2008). Das neue Gutachten wird für Ende November erwartet. Der Sozialbeirat kann allgemein zu Fragen der Rentenversicherung Stellung nehmen und der Bundesregierung Vorschläge zur Reform der Rentenversicherung unterbreiten.

Ein Beispiel hierfür ist das Sondergutachten des Sozialbeirates zur Rentenreform vom 13. Februar 2001 (Bundestagsdrucksache 14/5394). Da der Sozialbeirat ferner nicht verpflichtet ist, einheitliche gutachterliche Stellungnahmen zu verfassen, kommt dem Vorsitzenden oder der Vorsitzenden des Sozialbeirates eine besondere Vertrauensstellung zu. Da der Vorsitz, insbesondere in der Außenwirkung, mit einer besonderen Verantwortung und Wahrnehmung verbunden ist, muss an die Neutralität des Vorsitzenden bzw. der Vorsitzenden ein besonderer Anspruch gestellt werden.

Professor Rürup hat deshalb selbst der Bundesregierung seinen sofortigen Rücktritt aus dem Sozialbeirat für die gesetzliche Rentenversicherung angeboten. (vgl. DER SPIEGEL vom 24. November 2008). Eine Reaktion der Bundesregierung blieb bisher aus. Auch die stellvertretende Vorsitzende des Sozialbeirats Annelie Buntenbach kommt zu dem Ergebnis: 'Ich rechne nicht damit, dass sich Rürups Mitgliedschaft als unabhängiger Wissenschaftler mit seinem neuen Job in der Privatwirtschaft verträgt' (vgl. DER SPIEGEL vom Ähnliches wie für den Sozialbeirat gilt auch für den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Laut § 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 des Gesetzes über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (WiSachvRG) '[…] dürfen (sie) ferner nicht Repräsentant eines Wirtschaftsverbandes oder einer Organisation der Arbeitgeber oder Arbeitnehmer sein, oder zu diesen in einem ständigen Dienst- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis stehen. Sie dürfen auch nicht während des letzten Jahres vor der Berufung zum Mitglied des Sachverständigenrates eine derartige Stellung innegehabt haben'. Zudem ist er nach § 3 Abs. 1 '[…] nur an den durch dieses Gesetz begründeten Auftrag gebunden […] und in seiner Tätigkeit unabhängig'.

Diese Unabhängigkeit ist dann nicht gegeben, wenn Mitglieder des Sachverständigenrates Analysen erstellen, auf deren Basis sie Forderungen ableiten, die nicht dem Gemeinwohl dienen, sondern privatwirtschaftlichen Partikularinteressen. Mit der zunehmenden Privatisierung der Altersvorsorge, wie beispielsweise durch die so genannten Riester- und Rürup-Renten, ist die Gefahr der Einflussnahme auf die Analysen und Empfehlungen der Mitglieder des Sachverständigenratesund des Sozialbeirats der Bundesregierung durch private Unternehmen, die sich auf dem lukrativen Markt der staatlich geförderten Altersvorsorgeprodukte spezialisiert haben, wie etwa der AWD, gestiegen (vgl. Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. 'Riester-Rente-Sparer verlieren staatliche Zulagen durch hohe Gebühren'; Bundestagsdrucksache 16/10501).

So sollte nach Ansicht des Sachverständigenrates in seinem Jahresgutachten 2008/09 etwa im Bereich der Alterssicherung 'unbedingt […] eine Ausweitung des Förderrahmens bei der privaten und betrieblichen Ergänzungsvorsorge vorgenommen werden' (S. 409). Die Rentenpolitik der letzten Jahre habe 'gute Voraussetzungen für einen flächendeckenden Ausbau der privaten und betrieblichen Altersvorsorge geschaffen' (S. 356). 'Eine falsche Antwort (auf das Risiko der Altersarmut; d. Verf.) wäre es, die in den letzten Jahren eingeleitete Politik in der Alterssicherung zurückzudrehen und die Reformen in der Gesetzlichen Rentenversicherung sowie den Ausbau der kapitalgedeckten Ergänzungssysteme in Frage zu stellen' (S. 356).

Diese Forderungen und Reformvorschläge haben sich seit 2000 unter dem Vorsitz von Professor Rürup zweifelsohne intensiviert. Auch in seiner Funktion als Vorsitzender der nach ihm benannten Rürup-Kommission, wurde eine erneute Absenkung des Leistungsniveaus in der Gesetzlichen Rentenversicherung sowie eine Ausweitung der privaten Altersvorsorge als Vorschlag empfohlen. Weil Professor Rürup durch seinen Wechsel zu AWD ab April 2009 unmittelbar von der Einführung der Anlageprodukte, die er im Regierungsauftrag selbst mit entwickelt hat und die zudem von der Bundesregierung gefördert werden, profitiert, ergeben sich in diesem Zusammenhang zahlreiche Fragen.

So ist von öffentlichem Interesse, ob die notwendige Neutralität des Vorsitzenden des Sozialbeirates und des Sachverständigenrates noch gegeben ist. Ferner ist offen, inwiefern Professor Rürup auf die Forderungen des Sachverständigenrates und des Sozialbeirates Einfluss hatte bzw. noch hat. Darüber hinaus muss beleuchtet werden, ob mit Hilfe öffentlicher Steuergelder private Wirtschaftsinteressen befördert und beworben werden; insbesondere wenn dies mit dem Anschein wissenschaftlicher Neutralität und Objektivität ('Wirtschaftsweisen') in Verbindung gebracht wird. Vor allem stellt sich die Frage, wie die Bundesregierung sicherstellen wird, dass die Weiterbeschäftigung von Professor Rürup als Berater der Bundesregierung, als Vorsitzender des Sozialbeirates sowie des Sachverständigenrates nicht dazu führt, dass die Interessen des zukünftigen Arbeitgebers von Professor Rürup, des Finanzdienstleisters AWD, direkt oder indirekt Einfluss haben auf die aus Steuermitteln finanzierte Arbeit des Sachverständigenrates, was eine inakzeptable Verquickung von privaten und öffentlichen Interessen wäre.
(Deutsche Bundesregierung: Die Linke: ra)


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