"Es ist nichts fachlich gedreht worden"


Untersuchungsausschuss (Gorleben): Ministeriumsvertreter dementiert Einflussnahme auf wissenschaftliche Arbeiten
Dr. Arnulf Matting sagte, er sehe nicht, warum die Forderung nach einer Untersuchung mehrerer Standorte im Fachbericht hätte Platz finden sollen


(24.05.11) - Einen zentralen Punkt des Untersuchungsauftrags hat der Gorleben-Ausschuss mit der Vernehmung des zweiten Zeugen behandelt: Die Mitglieder gingen bei der Sitzung mit Dr. Arnulf Matting der Frage nach, ob es bei der Vorbereitung der entscheidenden Kabinettsvorlage zum Beschluss für Gorleben als einzigen Erkundungsstandort für die Lagerung von Atommüll im Jahr 1983 zu Manipulationen von Wissenschaftlern seitens der Politik gekommen ist. "Es ist nichts fachlich gedreht worden", sagte Matting.

Der heute 74-Jährige war ab dem Frühjahr 1982 im Bundesinnenministerium für Entsorgungsfragen zuständig. Im Mittelpunkt der Befragung stand seine Teilnahme an einem vorbereitenden Gespräch am 11. Mai 1983 mit Wissenschaftlern von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB). Die Mitarbeiter hatten später ausgesagt, Matting sowie je ein Vertreter des Kanzleramts, des Bundeswirtschafts- und des Forschungsministeriums hätten bei dem überraschenden Besuch in Hannover unter anderem die Weisung gegeben, die ursprüngliche Forderung nach der Suche verschiedener möglicher Standorte für ein Endlager im PTB-Bericht zur Vorbereitung der Kabinettsvorlage fallen zu lassen.

"Ich kann mich überhaupt nicht an die Sitzung erinnern", sagte Matting. Eine formelle Weisung habe es nicht gegeben. "Wir haben nur die Bitte geäußert, sich auf die eigentliche Aufgabe der PTB zu konzentrieren." Matting sagte, er sehe nicht, warum die Forderung nach einer Untersuchung mehrerer Standorte im Fachbericht hätte Platz finden sollen. Dies sei von den PTB-Mitarbeitern nur geäußert worden, weil sie die Müllfüllmenge in Gorleben für nicht ausreichend erachtet hätten. "Aber da war der Schacht Konrad ja schon längst in der Diskussion." Warum von dieser Sitzung bisher kein Vermerk existiert, konnte er nicht erklären.

Matting erklärte, die Exekitive habe aber sehr wohl an Alternativen gedacht, allerdings nur durch theoretische Vorarbeiten. "Andere Standorte wurden nicht erkundet, weil das Personal hierfür gar nicht zur Verfügung stand." Ferner fragte er: “Und wer soll das bezahlen? Wir haben ja Gorleben." Schließlich hätte man wohl keine anderen Bundesländer außer Niedersachsen gehabt, die sich mit Standorten anboten.

Im Lauf der Ausschusssitzung hielten Abgeordnete ihm zwei Ministervorlagen aus dem Frühjahr 1982 vor, in der Matting um Unterstützung der Länder bei der Suche nach alternativen Standorten gebeten habe. "Ich kann mich daran nicht erinnern", sagte er, "dann habe ich mich wohl nicht durchgesetzt".

Auf die Frage, warum bei der Formulierung der wissenschaftlichen Kriterien für ein Endlager die Forderung nach einem 250 Meter dicken Deckgebirge über dem Lager auf 200 Meter gesenkt worden sei – wie es in Gorleben der Fall ist –, antwortete Matting: "Wenn es so gelaufen wäre, würde ich das nicht in Ordnung finden. Aber ich kenne die Vorgänge nicht." Als Grünen-Obfrau Sylvia Kotting-Uhl ihm Beispiele im PTB-Bericht aufzeigte, wonach bei mehreren Passagen ursprünglich vorsichtigere Aussagen geglättet worden seien, erwiderte Matting: "Das sind gravierende Dinge, das ist nicht nur Redaktion."

Aber die Änderungen könnten auch von den Wissenschaftlern selbst stammen – ohne Zutun aus Bonn. "Ich weiß nicht mehr, was ich gemeint habe mit der Äußerung, manche Aussagen könnten positiver gestaltet werden", sagte er mit Blick auf die Vorgänge im Jahr 1983. (Deutscher Bundestag: ra)


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