HRE und "Drehbücher für einen Krisenplan"?


Ex-Finanzstaatssekretär Thomas Mirow: HRE war kein zentrales Thema im BMF
HRE-Untersuchungsausschuss: Mirow wehrte sich gegen den Vorwurf, passiv gehandelt zu haben - Die Entwicklung der Märkte sei nun einmal nicht vorauszusehen


(30.07.09) - Bis zu seinem Ausscheiden im Juni 2008 war die Hypo Real Estate Bank (HRE) kein zentrales Thema im Bundesfinanzministerium (BMF). Das sagte der ehemalige Staatssekretär im BMF, Thomas Mirow, am Dienstag als Zeuge vor dem HRE-Untersuchungsausschuss.

Vielmehr hätten damals die "erheblichen Probleme" verschiedener Landesbanken im Mittelpunkt des Interesses gestanden. Bei der HRE hingegen seien zwar Risiken durch den Handel mit strukturierten Produkten bekannt gewesen, nicht jedoch ein Liquiditätsproblem, sagte Mirow. Auch nach der Adhoc-Mitteilung vom 18. Januar, in der von einem erhöhten Abschreibungsbedarf bei der HRE die Rede war, habe es nach Aussage der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) "keine Bestandsgefahr" gegeben.

Auf Nachfrage der Abgeordneten bestätigte der ehemalige Staatssekretär am 23. Januar einen Brief des Bafin-Chefs Jürgen Sanio erhalten zu haben, in dem dieser ihn darüber unterrichtete, Ende 2007 Sachverhalte bei der HRE aufgedeckt zu haben, über der HRE-Vorstand bisher nicht informiert hatte. "Dabei war nicht von Liquiditätsproblemen die Rede", sagte Mirow. Mit Sanio sei er so verbleiben, dass der Bafin-Chef "auf mich zu kommen wird, wenn es weitere Probleme bei der Bank gibt". Das sei bis zu seinem Ausscheiden aus dem Ministerium jedoch nicht der Fall gewesen.

Auf die Frage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, ob es im BMF "Drehbücher für einen Krisenplan" gegeben habe, entgegnete der Zeuge, so etwas habe er "zu keiner Sekunde in Erwägung gezogen". Zum einen könne man die Lage ohnehin nicht korrekt simulieren und zum anderen müsse mit einer nachteiligen Reaktion der Märkte gerechnet werden, würde jemand "davon Wind bekommen". Mirow wehrte sich gegen den Vorwurf, passiv gehandelt zu haben. Die Entwicklung der Märkte sei nun einmal nicht vorauszusehen.

Die Einschätzung Mirows, die HRE-Krise sei vor dem 15. September 2008 "nicht absehbar" gewesen, teilte auch der zweite geladene Zeuge. Axel Wieandt, seit 13. Oktober 2008 Vorstandsvorsitzender der HRE, bezeichnete die unvorhersehbare Pleite von Lehman Brothers als "Auslöser" der Krise.

Wieandt, der bis zu seiner Ernennung zum HRE-Vorstandsvorsitzenden bei der Deutschen Bank für die Konzernentwicklung zuständig war, äußerte sich vor dem Ausschuss trotz intensiver Nachfragen nicht zu einer eventuell schon vor der Lehman-Pleite vorhanden Schieflage der Bank. Bis zu seinem Wechsel zur HRE habe er sich nicht mit deren Liquiditätssituation befasst, sagte der Zeuge. Nach der im Oktober zwischen den zwei "Bankenrettungswochenden" nötig gewordenen Aufstockung des Rettungspakets von 35 auf 50 Milliarden Euro befragt, sagte er, dies gehe auf "Verwerfungen auf den Geldmärkten" zurück.

Daher habe es einen höheren Liquiditätsbedarf gegeben. Keine Stellung nehmen wollte er zu der Aussage, der erhöhte Liquiditätsbedarf habe mit falschen Zahlen, die der ehemalige HRE- Vorstand Georg Funke genannt haben soll, zu tun.

Ob die Herabstufung der HRE bei den Rating-Agenturen mit einer Bemerkung von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD), der von der "Abwicklung" der HRE gesprochen hatte, in Verbindung zu bringen sei, wollte Wieandt nicht kommentieren. Bei seinen Gesprächen mit Rating-Agenturen habe die Aussage keine Rolle gespielt, sagte er.

Auf Nachfrage stellte Wieandt klar, dass 80 Prozent der staatlichen Garantien für die HRE nach Irland gegangen seien, um die dort beheimatete HRE-Tochter Depfa zu retten. Das sei nicht zu verhindern gewesen, so der Vorstandsvorsitzende, da ohne die Depfa die gesamte HRE-Gruppe nicht hätte gerettet werden können. (Deutscher Bundestag: ra)

Lesen Sie auch:
Krise der HRE mit Kauf der Depfa programmiert?
HRE: Schadenersatz gegen ehemaligen Vorstand?
Ex-Aufsichtsratschef der HRE greift Steinbrück an
HRE-Warnmeldung sei damals "überraschend" gekommen
HRE-Krise: Bankenaufsicht habe nicht geschlafen
Schieflage der Depfa und der Hypo Real Estate
HRE auf dem Weg in die Verstaatlichung
Finanzminister Steinbrück hat sein Ziel erreicht


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • AfD will Gebäudeenergiegesetz abschaffen

    Die AfD-Fraktion will das Gebäudeenergiegesetz (GEG) abschaffen und verlangt in einem Antrag (21/227) außerdem, auf die CO2-Bepreisung von Heizöl und Gas zu verzichten. Die entsprechenden Vorschriften sollen "schnellstmöglich, vollständig und ersatzlos" gestrichen werden. Zudem soll die Umsetzung aller entsprechenden EU Verordnungen und Richtlinien (etwa der sogenannte Green Deal der EU) sowie damit verbundene Regulierungen wie der CO2-Grenzausgleich sofort beendet werden.

  • Änderung der Verordnung (EU) 2017/625

    Die Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen drängt auf eine verpflichtende Produktkennzeichnung für Lebensmittel, die genomisch verändert wurden. Anlass ist ein Vorschlag der Europäischen Kommission, die im Juli 2023 einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über mit genomischen Techniken gewonnene Pflanzen und die aus ihnen gewonnenen Lebens- und Futtermittel vorgelegt hat.

  • Steuerhinterziehung & Cum-Cum

    Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt in einem Antrag (21/226), organisierte Steuerhinterziehung wie die sogenannten Cum-Cum-Deals aufzuklären und die Steuermilliarden konsequent zurückzufordern. Dazu sollen die Aufbewahrungsfristen für Belege bei Finanzinstitutionen verlängert werden. Der Antrag steht am Donnerstag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages.

  • Ausschuss gegen Cum-Cum-Antrag der Grünen

    Der Finanzausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD einen Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Organisierte Steuerhinterziehung wie Cum-Cum-Deals aufklären, Steuermilliarden konsequent zurückfordern und Aufbewahrungsfristen für Belege bei Finanzinstitutionen verlängern" (21/226) abgelehnt. Für den Antrag stimmten neben der Antragstellerin die Fraktionen der AfD und Die Linke.

  • Versorgungslage signifikant verbessert

    Die Inbetriebnahme des vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) entwickelten Frühwarnsystems bei Arzneimittel-Lieferengpässen in einer funktionsfähigen Basisversion ist nach Angaben der Bundesregierung für das vierte Quartal 2025 vorgesehen. Der Aufbau des Frühwarnsystems habe insbesondere bei der Beobachtung und Bewertung der Versorgung mit antibiotikahaltigen Arzneimitteln für Kinder unterstützende Daten geliefert, heißt es in der Antwort (21/338) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (21/171) der AfD-Fraktion.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen