Verwendung von Telekommunikationsdaten


Bundesverfassungsgericht urteilt: Regelungen des Telekommunikationsgesetzes zur Speicherung und Verwendung von Telekommunikationsdaten teilweise verfassungswidrig
Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen die §§ 111 bis 113 des Telekommunikationsgesetzes (TKG)


(05.03.12) - § 111 TKG verpflichtet geschäftsmäßige Anbieter von Telekommunikationsdiensten, die von ihnen vergebenen beziehungsweise bereitgestellten Telekommunikationsnummern (Rufnummern, Anschlusskennungen, Mobilfunkendgerätenummern und Kennungen von elektronischen Postfächern) sowie die zugehörigen persönlichen Daten der Anschlussinhaber wie Namen, Anschriften und Geburtsdaten zu erheben und zu speichern.

Die §§ 112, 113 TKG schaffen die Grundlage für zwei verschiedene Verfahren zur Erteilung von Auskünften aus den nach § 111 TKG gespeicherten Daten. In dem durch § 112 TKG geregelten automatisierten Verfahren müssen die Anbieter von Telekommunikationsdiensten die Daten so bereitstellen, dass sie von der Bundesnetzagentur ohne Kenntnisnahme der Anbieter abgerufen werden können. Die Bundesnetzagentur hat die Daten auf Ersuchen konkret bezeichneter Behörden, darunter insbesondere der Strafverfolgungs- und Polizeivollzugsbehörden, im automatisierten Verfahren abzurufen und diesen zu übermitteln. Die Auskünfte dürfen immer erteilt werden, wenn sie zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben erforderlich sind.

Das in § 113 Abs. 1 Satz 1 TKG geregelte manuelle Verfahren verpflichtet dagegen die Telekommunikationsunternehmen selbst zur Auskunftserteilung. Auskunftsverpflichtet sind hier nicht nur die Anbieter, die Telekommunikationsdienste der Öffentlichkeit offerieren (z. B. Telefongesellschaften oder Provider), sondern darüber hinaus auch alle, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringen (z. B. auch Krankenhäuser oder gegebenenfalls Hotels). Auskunftsberechtigt sind nach dieser Norm grundsätzlich alle Behörden. Voraussetzung ist, dass die Auskunft im Einzelfall für die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, die Gefahrenabwehr oder nachrichtendienstliche Aufgaben erforderlich ist.

§ 113 Abs. 1 Satz 2 TKG regelt eine spezielle Auskunftspflicht hinsichtlich Zugangssicherungscodes wie Passworten oder Persönlichen Identifikationsnummern (PIN). Auskunftsberechtigt sind insoweit die Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden sowie die Nachrichtendienste.

In Auslegung des § 113 TKG entspricht es verbreiteter, aber umstrittener Praxis, dass auch Auskünfte über den Inhaber einer sogenannten dynamischen Internetprotokolladresse (dynamische IP-Adresse) erteilt werden. Hierbei handelt es sich um die Telekommunikationsnummern, mit denen vor allem Privatpersonen normalerweise im Internet surfen.

Der Abruf der Daten durch die auskunftsberechtigten Behörden richtet sich nach deren eigenen Rechtsgrundlagen; in der Praxis wurden hierbei Rechtsgrundlagen, die die Behörden allgemein zur Erhebung von Daten ermächtigen, als ausreichend angesehen.

Die Beschwerdeführer nutzen vorausbezahlte Mobilfunkkarten sowie Internetzugangsdienste und machen geltend, durch die Speicherung ihrer Daten und deren mögliche Übermittlung im Rahmen der Auskunftsverfahren in ihren Grundrechten verletzt zu sein.

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die Erhebung und Speicherung von Telekommunikationsdaten nach § 111 TKG sowie ihre in § 112 TKG geregelte Verwendung im automatisierten Auskunftsverfahren verfassungsgemäß sind. Der hierdurch bewirkte Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nur von begrenztem Gewicht und angesichts der erstrebten Verbesserung der staatlichen Aufgabenwahrnehmung gerechtfertigt. Für den Datenabruf reichen hierbei auch die allgemeinen Datenerhebungsvorschriften der abrufberechtigten Behörden.

Keinen Erfolg hat die Verfassungsbeschwerde auch insoweit, als sie sich gegen die in § 113 Abs. 1 Satz 1 TKG enthaltene Regelung zur Erteilung allgemeiner Auskünfte durch die Telekommunikationsdiensteanbieter im manuellen Auskunftsverfahren richtet. Die Vorschrift ist jedoch verfassungskonform so auszulegen, dass es für den Datenabruf spezieller fachrechtlicher Ermächtigungsgrundlagen bedarf. Zudem berechtigt § 113 Abs. 1 Satz 1 TKG nicht zu einer Zuordnung von dynamischen IP-Adressen. Für eine Übergangszeit, längstens bis zum 30. Juni 2013, darf die Vorschrift unabhängig von diesen Maßgaben angewendet werden.

Dagegen ist § 113 Abs. 1 Satz 2 TKG mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht vereinbar. Die Vorschrift gilt jedoch übergangsweise, längstens bis zum 30. Juni 2013 mit der Maßgabe fort, dass die Sicherungscodes nur unter den Bedingungen erhoben werden dürfen, unter denen sie nach den jeweils maßgeblichen Vorschriften (etwa denen des Strafprozessrechts) auch genutzt werden dürfen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde.
Lesen Sie hierzu auch die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichtes:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg12-013.html
(Pressemitteilung Nr. 13/2012 vom 24. Februar 2012: ra)

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