Dienstleistungsrichtlinie und Entsenderichtlinie


Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt durch Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie und die Anwendung der Entsenderichtlinie
Branchenmindestlöhne müssen auch von ausländischen Dienstleistungserbringern eingehalten werden


(25.08.10) - Die in Deutschland geltenden Branchenmindestlöhne seien auch von ausländischen Dienstleistungserbringern einzuhalten, statuiert die Deutsche Bundesregierung in einer Antwort (17/2722) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der SPD (17/2508).

Laut Bundesregierung gelte das deutsche Arbeitsschutzrecht für alle im Inland Beschäftigten, d.h. auch für die grenzüberschreitend entsandten. Die Entsenderichtlinie (RL 96/71/EG) habe Vorrang vor der Dienstleistungsrichtlinie, sodass die in Deutschland über das Arbeitnehmerentsendegesetz geltenden Branchenmindestlöhne auch von ausländischen Dienstleistungserbringern einzuhalten seien.

Weiter legt die Bundesregierung dar, dass das Arbeitnehmer-Entsendegesetz den erforderlichen Rechtsrahmen biete, um Arbeitnehmerschutz und zugleich fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Dies gelte auch für im Ausland ansässige Arbeitgeber, die im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit Arbeitnehmer grenzüberschreitend nach Deutschland entsenden.

Vorbemerkung der SPD
"Die Umsetzung der europäischen Dienstleistungsrichtlinie hat zum Ziel, den europäischen Binnenmarkt aus wirtschaftlicher Sicht von rechtlichen Einschränkungen weitestgehend zu befreien und damit den Wettbewerb der Dienstleistungen zu verbessern. Es soll der Zugang der Dienstleisterinnen und Dienstleister zum europäischen Binnenmarkt vereinfacht werden. Die Dienstleistungsrichtlinie ist damit der umfassendste und nachhaltigste Eingriff in das Verwaltungs- und Wirtschaftsrecht der Länder der Europäischen Union (EU).

Dabei muss deutlich herausgestellt werden, dass eine große Zahl der gegen Entgelt erbrachten selbstständigen Tätigkeiten unter diese Richtlinie fällt. Mit der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in nationales Recht sind weiter viele Fragen offen, die im Vorfeld ihrer Verabschiedung kritisch diskutiert wurden. Da eine Zunahme grenzüberschreitender Entsendungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu erwarten ist, müssen Rechte aller Beschäftigten in geeigneter Weise gewahrt werden.

Das Arbeits- und Sozialrecht wurde aus dem Wirkungsbereich der Richtlinie ausgenommen. In Artikel 1 der Dienstleistungsrichtlinie wurde ausdrücklich die Wahrung und die Respektierung des Arbeitsrechtes und der sozialen Rechte in den Mitgliedstaaten festgeschrieben. Neben der Wettbewerbsorientierung der Richtlinie muss deren Anwendung in der deutschen Wirtschaftspraxis besonders vor dem Hintergrund der jüngsten Urteile des Europäischen Gerichtshofes zur Interpretation der Entsenderichtlinie und der Vergaberichtlinie in den Fällen Viking, Laval, Rüffert und Luxemburg gesehen werden.

Mit diesen Entscheidungen wurden Gewerkschafts- und Arbeitnehmerrechte relativiert und eingeschränkt. Die Entscheidungen haben ein grundsätzliches Missverhältnis zwischen Dienst- und Niederlassungsfreiheit einerseits und den sozialen Grundrechten andererseits deutlich gemacht. Das Ziel 'gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort' darf nicht unterminiert oder gar unerreichbar werden.

Dieser Grundsatz ist umso wichtiger als die Dienstleistungsrichtlinie gerade bei der vorübergehenden Dienstleistungserbringung keine Frist vorsieht, ab wann der Dienstleister als dauerhaft niedergelassen anzusehen ist – die 'vorübergehende' Tätigkeit kann sich über mehrere Jahre erstrecken. In diesem Zeitraum können entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in dem Zielland tätig sein, wobei für sie weiterhin im Wesentlichen die Arbeits- und Sozialbedingungen des Herkunftslandes gelten – es sei denn, es gilt eine Mindestlohnregelung.

Vor dem Hintergrund positiver Erfahrungen aus 18 anderen Mitgliedstaaten liegt es nahe, dass ein allgemeiner gesetzlicher nationaler Mindestlohn dringend erforderlich ist, damit das in der Richtlinie durchgesetzte Ziellandprinzip verwirklicht werden kann. Dies gilt insbesondere, wenn im Jahr 2011 die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für die Beitrittsstaaten mit Ausnahme von Bulgarien und Rumänien verwirklicht ist. Auch die unscharfe Abgrenzung zwischen Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit und die Liberalisierung der Niederlassungsregeln in der Dienstleistungsrichtlinie kann zum Missbrauch einladen. Hier besteht Handlungsbedarf, zumal die Auswirkungen der Dienstleistungsrichtlinie auf die Verwaltungsstrukturen vor Ort noch nicht absehbar sind."
(Deutsche Bundesregierung: ra)


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Stand zum Emissionshandel für Gebäude und Verkehr

    Die Bundesregierung wird ein neues Klimaschutzprogramm vorlegen, das im Zeitraum bis zum Jahr 2030 auch Maßnahmen zur Treibhausgasminderungsquote im Bereich der durch die EU-Lastenverteilungsverordnung (ESR) erfassten Sektoren Gebäude und Verkehr enthalten wird. Die Maßnahmen für das Programm werden derzeit entwickelt. Das geht aus der Antwort (21/1072) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (21/762) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hervor.

  • Fluggastrechteverordnung für reformbedürftig

    Die Bundesregierung lehnt die Erhöhung von Zeitschwellen für Entschädigungen in der Fluggastrechteverordnung der EU ab. Sie stellt sich damit gegen einen entsprechenden Beschluss des Rates der EU-Verkehrsminister, wie aus einer Antwort (21/962) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (21/749) hervorgeht. Eine solche "Abschwächung des Verbraucherschutzniveaus" lehne die Bundesregierung ab. Sie trete für einen "ausgewogenen Ausgleich der Interessen der Fluggäste und der Luftfahrtunternehmen sowie der Reisewirtschaft" ein.

  • Digitalisierung des Gesundheitswesens

    Der Petitionsausschuss hält mehrheitlich an der Widerspruchslösung (Opt-out-Lösung) bei der elektronischen Patientenakte (ePA) fest. In der Sitzung verabschiedete der Ausschuss mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD die Beschlussempfehlung an den Bundestag, das Petitionsverfahren zu der Forderung, die elektronische Patientenakte nur mit ausdrücklichem Einverständnis der Betroffenen anzulegen (Opt-in-Lösung), abzuschließen, weil keine Anhaltspunkte für parlamentarische Aktivitäten zu erkennen seien.

  • Angaben zu Cum-Cum-Geschäften

    Derzeit befinden sich 253 Cum-Cum-Verdachtsfälle mit einem Volumen in Höhe von 7,3 Milliarden Euro bei den obersten Behörden der Länder und dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) in Bearbeitung. Diese Angaben macht die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/915) auf eine Kleine Anfrage (21/536) der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen zu den rechtswidrigen Steuergeschäften.

  • Konformitätsbewertung von Produkten

    In einer Kleinen Anfrage (21/946) möchte die AfD-Fraktion von der Bundesregierung wissen, wie die EU-Maschinenverordnung (EU/2023/1230) im Hinblick auf KI-basierte Sicherheitssysteme angewendet und begleitet werden soll. Die Verordnung, die ab dem 20. Januar 2027 gilt, stellt laut Vorbemerkung der Anfrage neue Anforderungen an Maschinen mit eingebetteter Künstlicher Intelligenz.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen