Bafin-Vertreter: Auf Wirtschaftsprüfer verlassen


Überprüfung eines international tätigen Konzerns für eine kleine Landesaufsichtsbehörde in Niederbayern "mit sechs, sieben Vollzeitprüfern" eine Nummer zu groß?
Thorsten Pötzsch: Der Fall Wirecard sei gerade für die BaFin eine bittere Erfahrung gewesen, "aus der wir lernen müssen"



Der 3. Untersuchungsausschuss ("Wirecard") befragte zwei Zeugen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Thorsten Pötzsch, Exekutivdirektor Abwicklung bei der BaFin, berichtete, wie seine Abteilung nach dem Wechsel der Wirtschaftsprüfer von Ernest &Young (EY) zu KPMG, und nach dem Erscheinen des KPMG-Berichts im Frühjahr 2020 die Wirecard Bank unter verschärfte Prüfung gestellt habe. "Bereits Ende 2019 haben wir uns die Bank intensiver angeschaut."

Aufgrund der Berichte der Prüfer von EY, die nicht nur die Wirecard AG, sondern parallel auch die Wirecard Bank untersucht hatten, habe es in den Jahren 2011 bis 2018 so ausgesehen, als sei alles in Ordnung gewesen. Auf die Wirtschaftsprüfer habe man sich stets komplett verlassen. Alle Parameter hätten dafür gesprochen, dass bei der Wirecard Bank die Präventionssysteme gegen Geldwäsche in diesem Zeitraum funktioniert hätten.

"Alles war im grünen Bereich." Diese Einschätzung habe sich dann schlagartig nach dem Wechsel der Prüfer geändert. "Alles war plötzlich gelb und rot" eingefärbt, sagte Pötzsch. "Das kam für uns sehr überraschend." Man habe dann sofort alle Beteiligten "streng angeschrieben." Auch de Wirtschaftsprüfer.

Die Ausschussmitglieder wollten von Pötzsch außerdem wissen, wie die Aufgabenteilung zwischen der bayerischen Aufsichtsbehörde und der Bundesaufsicht BaFin funktioniert. Zunächst einmal sei das vollkommen Ländersache, so der Zeuge, der mit einer Reihe von E-Mails und Telefonaten konfrontiert wurde, um herauszufinden, wie beide Behörden die Frage der Zuständigkeit untereinander geklärt hätten.

Die Überprüfung eines international tätigen Konzerns sei doch für eine kleine Landesaufsichtsbehörde in Niederbayern "mit sechs, sieben Vollzeitprüfern" eine Nummer zu groß, bemerkte der Abgeordnete Matthias Hauer (CDU). Gab es nicht den Gedanken, das auf Bundesebene zu machen? Seitens der BaFin habe man "zur Kenntnis genommen, dass die Bayern gesagt haben: Wir sind zuständig", so der Zeuge. Die bayerische Behörde wollte aber lediglich genau das nicht festgestellt, sondern in einem Telefonat angefragt haben. Keinesfalls aber habe seine Behörde die Kompetenz, den Landesbehörden Aufgaben zuzuweisen oder zu entziehen, erläuterte Pötzsch.

Der Fall Wirecard sei gerade für die BaFin eine bittere Erfahrung gewesen, so Pötzsch, "aus der wir lernen müssen". Die Zusammenarbeit zwischen den Behörden müsse sich bessern, man brauche einen besseren Informationsaustausch, müsse schlagkräftiger werden, den "Aufsichtsfokus" über Unternehmen erweitern. Den Bereich der Geldwäschebekämpfung solle man am besten auf die europäische Ebene heben, entsprechend dem Bereich der Bankenaufsicht und Bankenabwicklung. Nicht nur der Gesetzgeber sei gefordert, die BaFin fange bei sich "als lernende Behörde" an, aus den Fehlern von Wirecard zu lernen.

Raimund Röseler, Exekutivdirektor Bankenaufsicht, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), gab zu, dass die bisherige Praxis der Bankenaufsicht im Fall Wirecard versagt habe und erläuterte die Arbeitsteilung zwischen BaFin und Bundesbank, "vergleichbar mit den meisten Aufsichtsbehörden der Welt." "Wirecard hat deutlich gemacht, dass die klassische Aufsicht nicht ausreicht", um die tatsächlichen Risiken eines Instituts zu beurteilen. Man müsse die Bankenaufsicht, zusammen mit den anderen Aufsichtsbereichen neu aufstellen.

Der Fall Wirecard sei der größte Betrugsfall in der deutschen Finanzwelt der Nachkriegsgeschichte. Diesem gigantischen, und mit einem Maximum an krimineller Energie aufgetürmten Lügengebilde sei auch die Finanzaufsicht auf den Leim gegangen. "Bis heute wissen wir nicht genau, was passiert ist." Warum und wohin 1,9 Milliarden Euro bei Wirecard einfach verschwinden konnten.

Bis 2018 habe man immer die einwandfreien Jahresabschlüsse von EY gehabt und die Eigentümer von Wirecard als zuverlässig erachtet. Dann aber habe es ab Februar 2020 die Presseberichte, die konkreten Vorwürfe der Financial Times, gegeben, die es auf einen Prozess mit Wirecard habe ankommen lassen. Wirecard klagte. Da habe man sich gedacht: Da muss irgendetwas dran sein. "Die Presseberichte gaben uns zu denken", sagte Röseler. Auf der anderen Seite habe die Wirecard Bank damals glaubhaft versichern können, nicht betroffen zu sein.

Da Wirecard nicht als Finanzholding klassifiziert gewesen sei, habe sich die Aufsicht der BaFin auch auf die Wirecard Bank beschränkt, die letztlich "zur Unterstützung des gigantischen Betrugs bei Wirecard missbraucht" worden sei. An dem Geschäftsgebaren der Bank sei an sich kaum etwas Verwerfliches gewesen, auch deren Kreditvergabe an Tochtergesellschaften des Konzerns sei nicht per se verwerflich.

Hätte eine frühere Einstufung der Wirecard AG als Ganzes als Finanzholding, inklusive der Wirecard Bank, nicht alles früher auffliegen lassen und Schlimmeres verhindern können? Diese Frage stellten die Abgeordneten auch dem Exekutivdirektor Bankenaufsicht.

Unter den Fachkollegen sei dies immer wieder erörtert worden, so Pötzsch, aber sowohl 2017 als auch 2020, bei einer rückwirkenden Prüfung, habe Einigkeit bestanden, Wirecard nicht als Finanzholding zu klassifizieren. Man sei sich einig gewesen, dass das Schlüsselkriterium der Vermögensgegenstände, angewendet auf den Zahlungsdienstleister Wirecard ungeeignet sei. Außerdem gebe der gesetzliche Rahmen einen Ermessensspielraum bei der Klassifizierung. Es gebe somit keinen Automatismus.

Bereits 2017 sei doch die Frage aufgekommen, warum die BaFin nicht die gesamte Wirecard AG zum Gegenstand ihrer Prüfung machen solle, wussten die Abgeordneten. Auch der Präsident der BaFin, Felix Hufeld, also der Dienstherr Röselers, sei doch bereits davon ausgegangen, dass Wirecard insgesamt als Finanzholding einzustufen sei. Aber das sei offenbar nicht die einheitliche Meinung des Hauses gewesen. Auch rückblickend sei die damalige Einstufung richtig gewesen, bekräftigte Röseler. "2020 sind wir immer noch zu der gleichen Entscheidung gekommen."

Nach dem KPMG-Report im April 2020 "haben wir dann gesagt, wir müssen das ganze Thema neu bewerten und neu prüfen." Die BaFin habe zu der Frage eine Task Force eingerichtet. Die dann allerdings vom Lauf der Ereignisse überholt und durch ein Ereignis überflüssig gemacht wurde: Die Insolvenz der Wirecard AG. Von da an habe sich die BaFin einfach wieder auf die Prüfung der Bank konzentrieren können, die weiterhin bestehe. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 10.03.21
Newsletterlauf: 21.04.21


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