Kommt die Beweiserleichterung für Patienten?


Erweiterung von Patientenrechten unter Experten umstritten
Das Aktionsbündnis Patientensicherheit befürwortete ein Patientenrechtegesetz, das Rechtssicherheit gewährleisten und Transparenz in der Gesundheitsvorsorge fördern solle


(03.02.11) - Ob es im Interesse der Patientensicherheit einen weitergehenden gesetzlichen Regelungsbedarf bei den Patientenrechten gibt, ist unter Experten umstritten. Während einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses fand die von der SPD-Fraktion in einem Antrag (17/907) erhobene Forderung nach einem Patientenrechtegesetz Fürsprecher und Gegner gleichermaßen.

Das Aktionsbündnis Patientensicherheit befürwortete ein Patientenrechtegesetz, das Rechtssicherheit gewährleisten und Transparenz in der Gesundheitsvorsorge fördern solle. Gleichzeitig müsse da, wo es möglich sei, auf Selbstregulierung gesetzt werden. So sei eine gesetzliche Fehlermeldepflicht nicht nötig, da auf Basis der Selbstregulierung eine wirkungsvollere Fehlervermeidung zu erreichen sei.

Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) betonte, es gebe derzeit Fehlervermeidungssysteme auf freiwilliger Basis, die akzeptiert würden. "Wie das gesetzlich erfolgen soll, erschließt sich uns nicht", so der KBV-Vertreter.

Angesichts der ungeheuer langen Dauer bei gerichtlichen Verfahren wegen Falschbehandlungen müsse im Interesse der Patienten ein eigenständiges Gesetz geschaffen werden, sagte der Einzelsachverständige Klaus Kirchner von der Alexandra-Lang-Stiftung für Patientenrechte. Grund für die lange Dauer seien oftmals die benötigten Gutachten, deren Erstellung viel Zeit in Anspruch nehme. In einem Patientenrechtegesetz müssten seiner Ansicht nach daher auch Fristen für derartige Gutachten enthalten sein.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen unterstützte diese Forderung. Die lange Verfahrensdauer sei belastend für Patienten und Angehörige. Durch ein Gesetz könne es den Patienten ermöglicht werden nachzuschauen, welche Rechte sie haben, da ihnen Akteneinsicht ohne anwaltliche Unterstützung kaum gewährt werde.

Die von der SPD-Fraktion vorgeschlagene Regelung, wonach arbeitsrechtliche Sanktionen für Meldungen eigener und fremder ärztlicher Fehler ausgeschlossen werden müssten, stieß auf Widerstand bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Es könne nicht sein, dass arbeitsrechtliche Regularien außer Kraft gesetzt werden. Dies habe zur Folge, dass die ohnehin schon eingeschränkten arbeitsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten bei fehlerhafter Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten des Arbeitnehmers völlig entwertet werden.

Auch die angedachte Beweiserleichterung für Patienten in gerichtlichen Verfahren wurde skeptisch bewertet. Laut Bundesärztekammer würde man damit den "Trend zur Defensivmedizin" angesichts des gesteigerten Risikos für Ärzte unterstützen. Aus Sicht der Ärztevertreter seien die Rechtmittel ausreichend.

Der Einzelsachverständige Michael Wessel nannte Beweiserleichterungen für Patienten "grundsätzlich sinnvoll", weil sie so ihre Ansprüche besser durchsetzen könnten. Es müsste aber geprüft werden, ob die Ärzteseite dabei nicht unangemessen benachteiligt werde und dadurch ein Ungleichgewicht entstehe.

Aus Sicht des Deutschen Richterbundes kann mit den aktuellen Haftungsregelungen gut gearbeitet werden. Eine Beweislastumkehr wäre zu weitgehend, hieß es. Die zivilrechtliche Regelung, wonach "derjenige, der etwas will, dies auch beweisen muss", greife gut. Bei groben Behandlungsfehlern gebe es ohnehin schon die Umkehr der Beweislast.

Als "prinzipiell gut" bezeichnete der Deutsche Anwaltsverein die Rechtsstellung der Patienten. Vielfach gebe es schon die Beweislastumkehr. Wolle man das noch weitergehender regeln, wären Ärzte "chancenlos", was mit Folgen für die Gesundheitsversorgung verbunden sein könne, warnte der Anwaltsverein. (Deutscher Bundestag: ra)


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • AfD will Gebäudeenergiegesetz abschaffen

    Die AfD-Fraktion will das Gebäudeenergiegesetz (GEG) abschaffen und verlangt in einem Antrag (21/227) außerdem, auf die CO2-Bepreisung von Heizöl und Gas zu verzichten. Die entsprechenden Vorschriften sollen "schnellstmöglich, vollständig und ersatzlos" gestrichen werden. Zudem soll die Umsetzung aller entsprechenden EU Verordnungen und Richtlinien (etwa der sogenannte Green Deal der EU) sowie damit verbundene Regulierungen wie der CO2-Grenzausgleich sofort beendet werden.

  • Änderung der Verordnung (EU) 2017/625

    Die Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen drängt auf eine verpflichtende Produktkennzeichnung für Lebensmittel, die genomisch verändert wurden. Anlass ist ein Vorschlag der Europäischen Kommission, die im Juli 2023 einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über mit genomischen Techniken gewonnene Pflanzen und die aus ihnen gewonnenen Lebens- und Futtermittel vorgelegt hat.

  • Steuerhinterziehung & Cum-Cum

    Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt in einem Antrag (21/226), organisierte Steuerhinterziehung wie die sogenannten Cum-Cum-Deals aufzuklären und die Steuermilliarden konsequent zurückzufordern. Dazu sollen die Aufbewahrungsfristen für Belege bei Finanzinstitutionen verlängert werden. Der Antrag steht am Donnerstag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages.

  • Ausschuss gegen Cum-Cum-Antrag der Grünen

    Der Finanzausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD einen Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Organisierte Steuerhinterziehung wie Cum-Cum-Deals aufklären, Steuermilliarden konsequent zurückfordern und Aufbewahrungsfristen für Belege bei Finanzinstitutionen verlängern" (21/226) abgelehnt. Für den Antrag stimmten neben der Antragstellerin die Fraktionen der AfD und Die Linke.

  • Versorgungslage signifikant verbessert

    Die Inbetriebnahme des vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) entwickelten Frühwarnsystems bei Arzneimittel-Lieferengpässen in einer funktionsfähigen Basisversion ist nach Angaben der Bundesregierung für das vierte Quartal 2025 vorgesehen. Der Aufbau des Frühwarnsystems habe insbesondere bei der Beobachtung und Bewertung der Versorgung mit antibiotikahaltigen Arzneimitteln für Kinder unterstützende Daten geliefert, heißt es in der Antwort (21/338) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (21/171) der AfD-Fraktion.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen