Sie sind hier: Home » Recht » EU & Europa » Europäische Kommission

Codes zur Identifizierung von Wertpapieren


Kartellrecht: Kommission unterzieht Verpflichtungszusagen von Thomson Reuters für "Reuters Instrument Codes" einer Marktprüfung
Joaquín Almunia: "Die von Thomson Reuters angebotenen Verpflichtungszusagen dürften den Finanzinstituten den Wechsel zwischen Finanzdatenanbietern erleichtern und den Wettbewerb zwischen Datenanbietern fördern"

(10.01.12) - Die Europäische Kommission fordert zur Stellungnahme zu den von Thomson Reuters vorgeschlagenen Verpflichtungszusagen auf, um die Wettbewerbsbedenken der Kommission auszuräumen, dass die Lizenzierungsmethoden der "Reuters Instrument Codes" (RICs) einen Verstoß gegen das Kartellrecht der EU darstellen könnten. Bei den RICs handelt es sich um Codes zur Identifizierung von Wertpapieren, die von Finanzinstituten verwendet werden, um Daten aus den Realtime-Datafeeds (Echtzeit-Dateneinspeisungen) von Thomson Reuters abzufragen.

Die Kommission befürchtet, dass Thomson Reuters ihre beherrschende Stellung auf dem Markt für konsolidierte Realtime-Datafeeds missbraucht, indem das Unternehmen seinen Kunden untersagt, die RICs zur Abfrage von Daten anderer Anbieter zu verwenden und zu diesem Zweck in andere Symbole umzusetzen. Thomson Reuters hat angeboten, es ihren Kunden zu gestatten, RIC-Lizenzen für einen Anbieterwechsel zu erwerben und die RICs gegen eine Lizenzgebühr zur Abfrage von Daten anderer Anbieter zu verwenden. Sollten die Marktteilnehmer die Verpflichtungsangebote als gangbare Abhilfemaßnahme betrachten, könnte die Kommission nach Artikel 9 der Kartellverordnung (EG) Nr. 1/2003 einen Beschluss erlassen, mit dem sie die Verpflichtungen für Thomson Reuters für bindend erklärt.

"Die von Thomson Reuters angebotenen Verpflichtungszusagen dürften den Finanzinstituten den Wechsel zwischen Finanzdatenanbietern erleichtern und den Wettbewerb zwischen Datenanbietern fördern", erklärte der für Wettbewerbspolitik zuständige Vizepräsident der Kommission Joaquín Almunia.

Nach vorläufiger Auffassung der Kommission stellen die von Thomson Reuters auferlegten Beschränkungen für die Kunden, die die RICs in großem Umfang in ihren Anwendungen nutzen und zu einem anderen Anbieter wechseln möchten, ein erhebliches Hindernis für einen Anbieterwechsel dar. Diese Kunden müssten die RICs demnach aus allen internen Systemen entfernen und sie durch andere Codes ersetzen. Dies ist technisch aufwendig und kostspielig und hindert die Kunden in vielen Fällen an einem Anbieterwechsel.

Um die Zweifel der Kommission auszuräumen, hat Thomson Reuters angeboten, es ihren Kunden zu ermöglichen, Lizenzen für zusätzliche RIC-Nutzungsrechte zu erwerben, und ihnen die nötigen Informationen zur Verfügung zu stellen, die sie zur Erstellung von Mapping-Tabellen, d. h. zur Umsetzung der RICs in eine andere Symbolik, benötigen. Darüber hinaus würden die Lizenznehmer regelmäßige Aktualisierungen zu den RICs erhalten. Die Lizenzen sollen betroffenen Kunden, die Daten für im EWR ansässige Unternehmen bereitstellen, über fünf Jahre für eine monatliche von der verwendeten Anzahl von RICs abhängige Gebühr angeboten werden. Unter bestimmten Bedingungen können Anwendungen von Kunden, die außerhalb des EWR ansässige Unternehmen mit Daten versorgen, ebenfalls von der Lizenz abgedeckt sein.

Den vollständigen Wortlaut der Verpflichtungszusagen und weitere Informationen zu dem Fall finden Sie unter:
http://ec.europa.eu/competition/elojade/isef/case_details.cfm?proc_code=1_39654

Betroffene Dritte können sich bis zum 25. Januar 2012 zu den Zusagen äußern. Wenn die Kommission vor dem Hintergrund der Stellungnahmen zu dem Schluss kommt, dass die Verpflichtungszusagen ausreichend sind, um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken auszuräumen, kann sie die Verpflichtungen für Thomson Reuters für bindend erklären, ohne eine Aussage darüber zu treffen, ob ein Verstoß gegen das Kartellrecht der EU stattgefunden hat oder nicht.

Hintergrund
Nach einer von Amts wegen eingeleiteten Untersuchung eröffnete die Kommission am 30. Oktober 2009 ein förmliches Prüfverfahren. Im September 2011 machte die Kommission gegenüber Thomson Reuters Bedenken geltend, dass das Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung unter Verstoß gegen Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und Artikel 54 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) missbraucht haben könnte, indem es seinen Kunden untersagt, die RICs zur Abfrage von Daten anderer Anbieter zu verwenden und zu diesem Zweck in andere Symbole umzusetzen.

Bei den RICs handelt es sich um kurze alphanumerische Codes, mit denen Wertpapiere und ihre Handelsplätze identifiziert werden. Sie werden zur Abfrage von Informationen aus den konsolidierten Realtime-Datafeeds von Thomson Reuters verwendet. Realtime-Datafeeds sind virtuelle Pipelines für elektronisch verbreitete Echtzeit-Marktdaten, mit denen von Banken und Finanzinstituten entwickelte Softwareanwendungen gespeist werden. Konsolidierte Realtime-Datafeeds stellen Echtzeit-Marktdaten aus zahlreichen unterschiedlichen Quellen wie z. B. von Börsen und anderen Handelsplätzen zur Verfügung. Oftmals umfassen sie auch Preisinformationen zu außerbörslich ("over the counter" (OTC)) gehandelten Wertpapieren. (Europäische Kommission: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Europäische Kommission

  • Forderungen nach mehr Flexibilität

    Die Europäische Kommission hat offiziell eine Verordnung angenommen, mit der europäischen Landwirtinnen und Landwirten eine teilweise Ausnahme von der Konditionalitätsregelung für brachliegende Flächen gewährt wird. Dem vorangegangen waren der Vorschlag der Kommission vom 31. Januar sowie Gespräche mit den Mitgliedstaaten in Ausschusssitzungen.

  • Verwaltungsaufwand für Landwirte begrenzen

    Die Europäische Kommission hat dem belgischen Ratsvorsitz ein Papier übermittelt, in dem erste mögliche Maßnahmen zur Verringerung des Verwaltungsaufwands für die Schultern der Landwirte dargelegt werden. Das Dokument enthält eine Reihe kurz- und mittelfristiger Maßnahmen, die zur Vereinfachung ergriffen werden können

  • Wegweisendes Regelwerk der EU

    Das Gesetz über digitale Dienste ist das wegweisende Regelwerk der EU, mit dem das Online-Umfeld sicherer, gerechter und transparenter gemacht werden soll, und wird auf alle Online-Vermittler in der EU angewandt. Es schützt die Nutzer in der EU besser vor illegalen Waren und Inhalten und sorgt für die Wahrung ihrer Rechte auf Online-Plattformen, auf denen sie mit anderen Nutzern in Kontakt treten, Informationen austauschen oder Produkte kaufen.

  • Untersuchung betrifft mutmaßliche Mängel

    Die Europäische Kommission hat ein förmliches Verfahren eingeleitet, um zu prüfen, ob TikTok in den Bereichen Jugendschutz, Transparenz der Werbung, Datenzugang für Forschende sowie Risikomanagement in Bezug auf suchterzeugendes Design und schädliche Inhalte möglicherweise gegen das Gesetz über digitale Dienste verstoßen hat.

  • Influencer-Posts in sozialen Medien

    Die Europäische Kommission und die nationalen Verbraucherschutzbehörden von 22 Mitgliedstaaten sowie Norwegen und Island haben die Ergebnisse einer Überprüfung ("Sweep") von Influencer-Posts in den sozialen Medien veröffentlicht. Demnach veröffentlichen fast alle Influencerinnen und Influencer (97 Prozent) kommerzielle Inhalte, aber nur jeder fünfte gibt systematisch an, dass es sich bei diesem Content um Werbung handelt.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen