Niederlage: Siemens gegen Europäische Kommission


Siemens muss Kartellstrafe zahlen: Gericht der Europäischen Union fällt Urteil in Sachen Kartellverfahren auf dem Markt für gasisolierte Schaltanlagen
Gericht erhält die gegen Siemens Deutschland verhängte Kartellbuße von 396,6 Mio. Euro aufrecht, während die Geldbußen einiger Mitglieder des Kartells über isolierte Schaltanlagen herabgesetzt werden


(10.03.11) - Mit Entscheidung vom 24. Januar 2007 verhängte die Kommission gegen 20 Gesellschaften Geldbußen in Höhe von insgesamt 750.712.500 Euro wegen ihrer Beteiligung an einem Kartell auf dem Markt für gasisolierte Schaltanlagen (GIS). Die wettbewerbswidrigen Praktiken bestanden insbesondere in einer weltweiten Koordinierung des Verkaufs gasisolierter Schaltanlagen unter Aufteilung der Märkte, Zuteilung von Kontingenten und Erhaltung der jeweiligen Marktanteile, Zuteilung einzelner GIS-Projekte an ausgewählte Hersteller und Manipulation der Ausschreibungsverfahren, um sicherzustellen, dass die festgelegten Hersteller den jeweiligen Vertrag erhielten.

Darüber hinaus bestanden sie in der Festsetzung von Preisen durch komplexe Vereinbarungen für nicht zugeteilte GIS-Projekte, der Beendigung von Lizenzvereinbarungen mit Nichtkartellmitgliedern und dem Austausch sensibler Marktinformationen.

Zu den mit Geldbußen belegten Gesellschaften zählen insbesondere die Gesellschaften Alstom, Areva, Schneider Electric SA, Siemens AG, Siemens Aktiengesellschaft Österreich, Siemens Transmission & Distribution SA (SEHV), Siemens Transmission & Distribution Ltd. (Reyrolle), und VA Tech Transmission & Distribution GmbH & Co KEG (KEG). Die höchste Geldbuße, in Höhe von 396 562 500 Euro, wurde gegen die Siemens AG verhängt.

Die Alstom-Gruppe nahm mit ihren Tätigkeiten im fraglichen Bereich am Kartell teil, bis die Tochtergesellschaften, die sie ausübten, auf die Areva-Gruppe übertragen wurden. So waren die Tochtergesellschaften Areva T&D SA und Areva T&D AG, die nunmehr zur Areva T&D Holding SA und zu Areva gehörten, mit ihren entsprechenden Tätigkeiten noch während der letzten vier Monate des Kartells an diesem beteiligt.

Aufgrund dessen wurde gegen Alstom eine Einzelgeldbuße in Höhe von 11.475.000 Euro sowie eine gesamtschuldnerisch mit der Areva T&D SA zu zahlende Geldbuße von 53.550.000 festgesetzt – gegen die Areva T&D SA eine gesamtschuldnerisch mit Alstom zu zahlende Geldbuße von 53.550.000 Euro festgesetzt, von der ein Betrag von 25.500.000 Euro gesamtschuldnerisch mit Areva, der Areva T&D Holding und der Areva T&D AG zu zahlen war.

Die Kommission verhängte daneben Geldbußen gegen weitere Unternehmen, wobei sie deren Struktur sowie die Zeiträume berücksichtigte, in denen jedes von ihnen an der Zuwiderhandlung beteiligt war:
>> gegen Reyrolle in Höhe von 22.050.000 Euro;
>> gegen Siemens Österreich und KEG in Höhe von 12.600.000 Euro gesamtschuldnerisch mit Reyrolle;
>> gegen SEHV und Magrini in Höhe von 22.050.000 Euro, davon 17.550.000 Euro gesamtschuldnerisch mit Reyrolle und 4.500.000 gesamtschuldnerisch mit Schneider Electric.

Die mit Geldbußen belegten Gesellschaften erhoben Klagen beim Gericht, mit denen sie beantragten, die Entscheidung der Kommission für nichtig zu erklären, gegebenenfalls ihre Geldbußen herabzusetzen.

Für Alstom und die Gesellschaften der Areva-Gruppe sieht es das Gericht als geboten an, bei der Prüfung der Frage der Rechtmäßigkeit der Erhöhung des Grundbetrags der Geldbußen um 50 Prozent, die von der Kommission wegen der Rolle dieser Gesellschaften als Anführer des Verstoßes festgesetzt wurde, das Verhalten der von ihnen jeweils geleiteten Unternehmens mit dem der anderen am Kartell beteiligter Unternehmen zu vergleichen.

Das Gericht stellt fest, dass ein erheblicher Unterschied zwischen der Dauer der Ausübung der Tätigkeiten des "Europa-Sekretariats" des Kartells durch Siemens und der Dauer der Ausübung dieser Tätigkeiten durch das von Alstom und den Gesellschaften der Areva-Gruppe geleitete Unternehmen besteht. Die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit erfordern eine unterschiedliche Festsetzung der Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße je nach dem Zeitraum, in dem diese Unternehmen die Rolle als Anführer des Verstoßes gespielt haben.

Indem die Kommission gegen Alstom und die Gesellschaften der Areva-Gruppe einerseits sowie Siemens andererseits die gleiche Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße festgesetzt hat, hat sie diese Grundsätze nicht beachtet.
Das Gericht erklärt insoweit die Entscheidung der Kommission für nichtig und setzt die Erhöhung des Grundbetrags der Geldbußen von Alstom und den Gesellschaften der Areva-Gruppe herab.

Es setzt daher folgende Geldbußen fest:
>> Alstom: 10.327.500 Euro,
>> Alstom: 48.195.000 Euro gesamtschuldnerisch mit der Areva T&D SA, wobei 20.400.000 Euro des von der Areva T&D SA geschuldeten Betrags gesamtschuldnerisch von dieser sowie der Areva T&D AG, der Aktiengesellschaft Areva und der Areva T&D Holding SA zu zahlen sind.

Hinsichtlich der Gesellschaften Siemens Österreich, KEG, Siemens Transmission & Distribution Ltd (Reyrolle), Siemens Transmission & Distribution SA (SEHV) und Magrini sieht das Gericht zunächst die Feststellung der Kommission, dass diese Gesellschaften eine Zuwiderhandlung im Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 2002 begangen hätten, als irrig an.

Was sodann die Zurechnung des Verhaltens der am Kartell beteiligten Unternehmen und die Anwendung der Regeln der gesamtschuldnerischen Haftung für die Zahlung der Geldbußen angeht, weist das Gericht darauf hin, dass Rechtssubjekte, die sich in unabhängiger Weise an einer Zuwiderhandlung beteiligt haben und in der Folge von einer anderen Gesellschaft erworben worden sind, für ihre Zuwiderhandlung vor ihrem Erwerb selbst einstehen müssen, sofern sie nicht einfach in die erwerbende Gesellschaft eingegliedert worden sind, sondern ihre Tätigkeit als Tochtergesellschaften fortgesetzt haben. In einem solchen Fall kann der Erwerber nur dann für das nach dem Erwerb an den Tag gelegte Verhalten seiner Tochtergesellschaft verantwortlich gemacht werden, wenn diese die Zuwiderhandlung fortsetzt und die Verantwortlichkeit der neuen Muttergesellschaft nachgewiesen werden kann.

Derselbe Grundsatz ist auch auf den Fall anzuwenden, in dem die erworbene Gesellschaft vor ihrem Erwerb nicht unabhängig, sondern als Tochtergesellschaft einer anderen Unternehmensgruppe an der Zuwiderhandlung teilgenommen hat, wie es bei SEHV und Magrini der Fall war.

Das Gericht stellt weiter fest, dass die gesamtschuldnerische Haftung für die Zahlung der Geldbuße nur den Zuwiderhandlungszeitraum betrifft, in dem die einzelnen Gesellschaften eine wirtschaftliche Einheit und ein Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts bildeten. Es ist Sache der Kommission, zu bestimmen, welcher Anteil an der Zuwiderhandlung, bezogen auf einen bestimmten Zeitraum, auf jede Gesellschaft im Verhältnis zu ihren Mitgesamtschuldnern entfällt. Ohne eine entsprechende Angabe der Kommission ist davon auszugehen, dass sie die Zuwiderhandlung den Gesellschaften zu gleichen Teilen zurechnet.

Da die Kommission die verhängten Beihilfen nicht in Abstimmung mit der Dauer der Beteiligung der einzelnen Gesellschaften am Kartell innerhalb ein und desselben Unternehmens bemessen hat, hat sie gegen den Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung verstoßen.

Das Gericht erklärt daher die Entscheidung der Kommission für nichtig, soweit sie die Bemessung der gegen SEHV und Magrini verhängten Geldbuße und die Bestimmung der Beträge betrifft, die von den zur VA-Tech-Gruppe gehörenden Gesellschaften gesamtschuldnerisch zu zahlen sind. Es setzt folgende Geldbußen fest:

>> Siemens Transmission & Distribution SA (SEHV) und Magrini gesamtschuldnerisch mit Schneider Electric SA: 8.100.000 Euro,
>> Siemens Transmission & Distribution Ltd (Reyrolle) gesamtschuldnerisch mit Siemens AG Österreich, KEG, Siemens Transmission & Distribution SA (SEHV) und Magrini: 10.350.000 Euro,
>> Siemens Transmission & Distribution Ltd (Reyrolle) gesamtschuldnerisch mit Siemens AG Österreich und KEG: 2.250 .000 Euro,
>> Siemens Transmission & Distribution Ltd (Reyrolle): 9.450.000 Euro.

In Bezug auf die Siemens AG weist das Gericht das gesamte Vorbringen des Unternehmens zurück und erhält den Geldbußenbetrag von 396.562.500 Euro aufrecht. (Gericht der Europäischen Union: ra)


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