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Steuervermeidung und -hinterziehung


Lücken beim Austausch von Steuerdaten in der EU können einen Anreiz zur Steuervermeidung und Steuerhinterziehung geben
Der Rechtsrahmen, den die Europäische Kommission für den Austausch von Steuerinformationen geschaffen hat, ist transparent und logisch. Allerdings weist er nach Aussage der Prüfer mehrere Lücken auf



Der Austausch von Steuerinformationen zwischen den EU-Mitgliedstaaten reicht noch nicht aus, um eine gerechte und wirksame Besteuerung im gesamten Binnenmarkt zu gewährleisten, so der Tenor eines heute veröffentlichten Sonderberichts des Europäischen Rechnungshofs. Die Probleme betreffen nicht nur den Rechtsrahmen der EU, sondern auch seine Umsetzung und Überwachung. Die Prüfer stellten insbesondere fest, dass die ausgetauschten Informationen oft von begrenzter Qualität waren oder nicht ausreichend genutzt wurden.

Die ständig steigende Zahl der grenzüberschreitenden Transaktionen erschwert es den Mitgliedstaaten, die geschuldeten Steuern ordnungsgemäß festzusetzen, und begünstigt Steuervermeidung und -hinterziehung. In der EU gehen Schätzungen zufolge allein durch Steuervermeidung auf Ebene der Unternehmen Steuereinnahmen in Höhe von 50 bis 70 Milliarden Euro pro Jahr verloren; dieser Betrag steigt auf rund 190 Milliarden Euro, wenn spezielle Steuerregelungen und Ineffizienzen bei der Steuererhebung berücksichtigt werden. Es ist daher unabdingbar, dass die Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Steuern in vollem Umfang dort erhoben werden, wo sie fällig sind.

"Steuergerechtigkeit ist für die Wirtschaft der EU von entscheidender Bedeutung: Sie sorgt für mehr Sicherheit für die Steuerpflichtigen, fördert Investitionen und schafft Anreize für Wettbewerb und Innovationen", so Ildikó Gáll-Pelcz, das für den Bericht zuständige Mitglied des Europäischen Rechnungshofs. "Durch die Initiativen der jüngsten Jahre haben die Behörden nun in bisher unerreichtem Umfang Zugang zu Steuerdaten. Die ausgetauschten Informationen müssen jedoch noch viel intensiver genutzt werden, um das volle Potenzial des Systems auszuschöpfen."

Der Rechtsrahmen, den die Europäische Kommission für den Austausch von Steuerinformationen geschaffen hat, ist transparent und logisch. Allerdings weist er nach Aussage der Prüfer mehrere Lücken auf. Erstens ist er unvollständig, was die Unterbindung von Steuervermeidung und -hinterziehung betrifft. Beispielsweise fallen Kryptowährungen, aber auch andere Arten von Einkünften, nicht unter die verpflichtende Berichterstattung und werden daher weitestgehend nicht besteuert. Zweitens ist die Unterstützung für die Mitgliedstaaten nicht weitreichend genug. Insbesondere nimmt die Kommission das Problem unzureichender Datenqualität kaum in Angriff und bewertet nicht, wie wirksam und abschreckend die Sanktionen bei Verstößen sind. Schließlich sollte die Kommission den Mitgliedstaaten mehr Orientierungshilfen an die Hand geben, insbesondere im Bereich der Datenanalyse und -nutzung.

Auch wenn es von entscheidender Bedeutung ist, dass die Steuerbehörden einen besseren Überblick über die am stärksten von Steuervermeidung und -hinterziehung betroffenen Bereiche erhalten, um geeignete Korrekturmaßnahmen ergreifen zu können, fehlt ein EU-Rahmen für die Überwachung der Leistungen des Systems. Die Prüfer betonen, dass es in der Praxis keinen EU-weit einheitlichen Satz von Leistungsindikatoren gibt, um die Wirksamkeit der unter den Mitgliedstaaten ausgetauschten Steuerinformationen zu messen.

Das System für den Austausch von Steuerinformationen kann gut funktionieren, sofern die ausgetauschten Daten korrekt und vollständig sind und rechtzeitig übermittelt werden. Die Prüfer weisen kritisch darauf hin, dass dies leider nicht immer der Fall ist. Darüber hinaus werden die ausgetauschten Informationen im Allgemeinen unzureichend genutzt, was zum Ausfall von Steuereinnahmen führt. Andererseits stellten die Prüfer fest, dass der Austausch auf Ersuchen und der spontane Austausch wirksam funktionieren. Auch von zwei oder mehr Mitgliedstaaten durchgeführte gleichzeitige Prüfungen von Steuerpflichtigen, die für sie von gemeinsamem oder ergänzendem Interesse sind, haben sich als wirksames Instrument erwiesen, um die Besteuerung von grenzüberschreitenden Transaktionen zu bewerten.

Hintergrundinformationen
Für die Erhebung von Steuern sind die Mitgliedstaaten zuständig. Dennoch kommt der EU eine Rolle dabei zu, sie bei der Bekämpfung von Steuervermeidung und -hinterziehung zu unterstützen. Zusammen mit den Mitgliedstaaten arbeitet die Europäische Kommission daran, die nationalen Steuersysteme in der EU hinsichtlich der Transparenz, Rechenschaftspflicht und Wirksamkeit zu verbessern. Zu diesem Zweck wurde ein System für den Austausch von Steuerdaten und Informationen über Finanzkonten zwischen den Mitgliedstaaten eingerichtet.

Im Einklang mit den Standards der OECD haben die Steuerbehörden in der EU darüber hinaus vereinbart, enger zusammenzuarbeiten – nicht nur bei der korrekten Anwendung von Steuervorschriften, sondern auch bei der Bekämpfung von Steuervermeidung und -hinterziehung.

Die Richtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden aus dem Jahr 2011 ist die grundlegende EU-Rechtsvorschrift zur Verwaltungszusammenarbeit im Bereich der direkten Besteuerung. In den vergangenen Jahren wurde sie mehrmals überarbeitet, um ihren Anwendungsbereich zu erweitern.
(Europäischer Rechnungshof: ra)

eingetragen: 03.02.21
Newsletterlauf: 12.04.21


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