Sie sind hier: Home » Recht » Kartellrecht

Zwischenergebnisse: Sektoruntersuchung Kraftstoffe


Bundeskartellamt zieht erste Konsequenzen aus Sektoruntersuchung Kraftstoffe und untersagt den Erwerb von 59 OMV-Tankstellen durch Total
Als wichtigstes Zwischenergebnis hat die Sektoruntersuchung bestätigt, dass ein bedeutendes Hindernis für mehr Wettbewerb im Kraftstoffsektor in der dort vorzufindenden hohen vertikalen und horizontalen Konzentration liegt


(04.05.09) - Das Bundeskartellamt hat das Vorhaben der Total Deutschland GmbH, Berlin, untersagt, das ostdeutsche Tankstellennetz der OMV Deutschland GmbH, Burghausen, zu übernehmen. Der Zusammenschluss lässt die Verstärkung von marktbeherrschenden Stellungen erwarten, welche die Total beim Absatz von Diesel- und Ottokraftstoff auf den relevanten regionalen Tankstellenmärkten zusammen mit Shell, BP, ConocoPhillips und ExxonMobil innehat. Insbesondere würde dort mit der Übernahme des ostdeutschen OMV-Netzes durch die Total nicht nur der Marktanteil des marktbeherrschenden Oligopols in der Spitze auf 80 bis 85 Prozent anwachsen, sondern es würde auch einer der stärksten Wettbewerber ausgeschaltet.

Das Bundeskartellamt zieht damit eine erste Konsequenz aus der im vergangenen Jahr eingeleiteten Sektoruntersuchung Kraftstoffe. Im Zentrum der Untersuchung stehen dabei die vorgelagerten Beschaffungsmärkte sowohl im Großhandel als auch in der Erzeugung - weil hier der Schlüssel zum unternehmerischen Erfolg im Tankstellengeschäft liegt.

Als wichtigstes Zwischenergebnis hat die Sektoruntersuchung bestätigt, dass ein bedeutendes Hindernis für mehr Wettbewerb im Kraftstoffsektor in der dort vorzufindenden hohen vertikalen und horizontalen Konzentration liegt. Vor allem die fünf genannten Unternehmen sind über alle Stufen der Mineralölwirtschaft integrierte Gesellschaften, die sich nicht nur im Einzelhandel, sondern auch auf den Beschaffungsmärkten und im Transportsektor betätigen. Aufgrund der oligopolistischen Marktstrukturen sind weitere Zusammenschlüsse dieser Unternehmen künftig nicht oder nur sehr eingegrenzt möglich.

Die Zwischenergebnisse der Sektoruntersuchung Kraftstoffe lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Auf allen Marktstufen findet man Strukturen vor, die stark dämpfend auf den Wettbewerb insgesamt wirken.

So ist der Kraftstoffabsatz über Tankstellen nicht nur anbieterseitig hoch konzentriert, sondern auch sehr transparent. Dies kommt jedoch vor allem den integrierten Anbietern und kaum den Kraftfahrern zugute. Da die von den einzelnen Tankstellengesellschaften angebotenen Kraftstoffe weitgehend identisch sind und eine hohe Preissensibilität der Verbraucher festzustellen ist, sollte dem Preis grundsätzlich eine sehr wichtige wettbewerbliche Rolle zukommen.

Gleichwohl bezieht sich das Marketing der Gesellschaften seit jeher nicht konsequent auf die Preise, sondern weitgehend auf angebliche oder tatsächliche Qualitätsmerkmale. Begünstigt durch die hohe Transparenz und die damit einhergehende Möglichkeit die Preise der Wettbewerber stetig zu beobachten, haben sich im Laufe der Zeit Preissetzungsmuster herausgebildet, wie etwa höhere Preise zu Beginn der Reisezeit, die von den Tankstellenunternehmen ohne die Notwendigkeit von Kollusion oder Koordinierung eingesetzt werden und die Ausdruck eines im Wesentlichen gleichförmigen Preissetzungsverhaltens jedenfalls der Oligopolmitglieder sind. Von den Kraftfahrern werden sie oft als Ergebnis von Absprachen missverstanden.

Hinzu kommt, dass die Oligopolmitglieder durch Gemeinschaftsraffinerien, -pipelines und -tanklager miteinander verflochten sind und dass durch ein seit Jahren praktiziertes System des Kraftstofftausches wechselseitige Abhängigkeiten zwischen ihnen bestehen. Es ist nicht zu erwarten, dass die Außenwettbewerber darunter der stark zersplitterte und auf die Vorbelieferung durch die Oligopolmitglieder angewiesene Mineralölmittelstand ("freie Tankstellen") in der Lage sind, den Verhaltensspielraum des Oligopols wirksam zu begrenzen.

Die einzelnen Zwischenergebnisse der Sektoruntersuchung wird das Bundeskartellamt in Kürze publizieren. Über die genannten Punkte hinaus wird der Zwischenbericht Aussagen zur künftigen Marktabgrenzung im Tankstellensektor enthalten. Außerdem wird die modifizierte Berechnung von Marktanteilen erläutert, mit der sich das Bundeskartellamt ein präziseres Bild über die Wettbewerbsintensität verschaffen und dem Verhalten der Kraftfahrer besser Rechnung tragen kann.

Schließlich wird ein Konzept vorgestellt, mit dessen Hilfe den Vorwürfen mittelständischer Tankstellenbetreiber, sie würden von den Oligopolisten unbillig in ihrer Tätigkeit behindert werden, fundierter nachgegangen werden kann. Schwerpunkte der Sektoruntersuchung werden in den nächsten Monaten darüber hinaus unter anderem die Untersuchung möglicher marktabschottender Effekte durch Tankkartensysteme und so genannte Markenpartnerverträge sowie die Situation an den Autobahntankstellen sein.

Neben dem nun untersagten Zusammenschlussfall prüft das Amt noch zwei weitere Zusammenschlussvorhaben im Hauptprüfverfahren, nämlich den Erwerb von Tankstellen der Mittelständler Lomo und Honsel durch die Shell Deutschland Oil GmbH, Hamburg. Hier laufen die Entscheidungsfristen jeweils am 09.06.2009 ab. (Bundeskartellamt: ra)


Meldungen: Kartellrecht

Kartellrecht und Kartellvergehen

  • Überschneidung der Geschäftsfelder

    Das Bundeskartellamt hat die Übernahme aller Anteile an der Wurth Pflanzenschutz GmbH (Wurth Pflanzenschutz) durch die ZG Raiffeisen eG (ZG Raiffeisen) freigegeben. Die Wurth Pflanzenschutz verkauft derzeit von ihrem Standort im badischen Appenweier aus Pflanzenschutzmittel, Düngemittel, Saatgut und Bedarfsartikel der Landwirtschaft (wie Pfähle, Netze, Folien, Vliese) - insbesondere an Landwirtinnen und Landwirte. Die ZG Raiffeisen ist ebenfalls auf diesen Geschäftsfeldern tätig.

  • Bundeskartellamt legt Jahresbericht 2024/25 vor

    Der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, hat den "Jahresbericht 2024/25" der Behörde vorgestellt. Mundt sagte: "Wettbewerb bleibt der unverzichtbare Treiber unserer marktwirtschaftlichen Ordnung. Wachstum kann nur im offenen Wettbewerb entstehen, der Innovationen fördert und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft stärkt. Ob Digitalwirtschaft, Benzinpreise oder Lebensmittel - eine nachhaltige und positive Entwicklung gelingt nur, wenn Unternehmen fair und transparent um die besten Lösungen konkurrieren. Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren von Vielfalt, Qualität und fairen Preisen - das ist die Grundlage für eine starke und gerechte Wirtschaft."

  • Expertenkreis KI und Wettbewerb

    Im Rahmen eines Expertenkreises diskutierte das Bundeskartellamt mit ausgewählten Stakeholdern über Fragen der Künstlichen Intelligenz (KI) mit Blick auf Wettbewerb und Wettbewerbsbeschränkungen. Auf Einladung des Amtes nahmen 14 Vertreterinnen und Vertreter von in Deutschland ansässigen Unternehmen und Verbänden teil. Die Unternehmen bilden zusammen wesentliche Teile der KI-Wertschöpfungskette ab und sind sowohl größeren, etablierten Unternehmen als auch kleineren Unternehmen und Start-ups zuzuordnen. Geleitet wurde die Veranstaltung von dem Präsidenten des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, sowie dem Vizepräsidenten Prof. Dr. Konrad Ost.

  • Alternative Carrier sind dünn gesät

    Das Bundeskartellamt hat den beabsichtigten Erwerb einer Minderheitsbeteiligung der Deutschen Lufthansa AG (Lufthansa) an der airBaltic Corporation AS (airBaltic) fusionskontrollrechtlich freigegeben. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, sagte: "Die geplante Beteiligung löst auf mehreren Flugverbindungen zwischen deutschen Flughäfen und dem Baltikum erhebliche wettbewerbliche Bedenken aus."

  • Wettbewerbsimpuls auf dem Briefmarkt

    Das Bundeskartellamt hat ein Kartellverwaltungsverfahren gegen Unternehmen der Deutschen Post AG (DPAG) sowie gegen Unternehmen der Max-Ventures-Gruppe aus dem Bereich Briefkonsolidierungsleistungen einstellen können, nachdem die Unternehmen untereinander bestehende gesellschaftsrechtliche Verflechtungen aufgelöst haben. Das Bundeskartellamt hatte das Verfahren im Juli 2023 eingeleitet, um dem Verdacht auf mögliche wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen zwischen den Unternehmen nachzugehen.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen